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„Mindeststandards sind sehr hilfreich“

■ Deutschland will sich im Europarat bei der Abstimmung über die Biomedizin- Konvention enthalten. Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig (FDP) zu den Gründen

Die „Konvention über Menschenrechte und Biomedizin“ soll die Menschenrechte in der Medizin sichern helfen. Der Vertrag ist vor allem in Deutschland umstritten, weil die Mindeststandards bei der Forschung mit Kindern, Altersverwirrten und geistig Behinderten sowie bei der Embryonenforschung als zu niedrig angesehen werden. Am 18. November werden in Straßburg Regierungsvertreter der 40 Staaten des Europarates zusammenkommen und die Konvention endgültig beschließen. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit gilt als sicher. Rechtsverbindlich ist das Abkommen aber nur in den Staaten, deren nationale Parlamente den Text ratifizieren.

taz: Bis zum Mittwoch hat die Bundesregierung die Biomedizin- Konvention abgelehnt. Wie wird der deutsche Vertreter bei der Abstimmung in Straßburg am 18. November votieren?

Schmidt-Jortzig: Deutschland wird sich enthalten.

Was wollen Sie der deutschen Öffentlichkeit denn mit einer Enthaltung signalisieren, das ist doch weder Schmidt noch Jortzig?

Die deutsche Öffentlichkeit würde eine Zustimmung Deutschlands zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verstehen. Mit der Enthaltung signalisieren wir jetzt erst mal nur: Deutschland will dem Zustandekommen der Konvention seinen Fortgang geben. Aber es ist noch völlig offen, ob die Bundesregierung das Abkommen unterzeichnet und der Bundestag es ratifiziert. Und nur dann wäre das Abkommen für Deutschland verbindlich.

Sie als Justizminister empfehlen aber die Unterzeichnung und die Ratifikation?

Ja.

Ist der Verzicht auf die Zustimmung eine Konzession von Schmidt-Jortzig an die CDU?

Nicht nur in der CDU und bei den Kirchen bestehen noch Bedenken, auch humanistische Strömungen in meiner Partei tun sich noch schwer.

Alle anderen Staaten werden Ende November wohl zustimmen. Hat das die deutsche Debatte nun doch noch beeinflußt?

Die anderen Staaten sind uns in den letzten zwei Jahren in sehr vielen Punkten entgegengekommen, vor allem bei der Verstärkung des Schutzes bei Forschungsvorhaben mit Kindern, Altersverwirrten und geistig Behinderten. Wenn wir jetzt doch mit Nein stimmen würden, hätten wir unseren Einfluß bei künftigen Debatten, etwa wenn es um das geplante Protokoll zur Embryonenforschung geht, völlig verspielt.

„Alte, Behinderte und Kinder werden für Menschenversuche freigegeben“, heißt es. Die Debatte in der deutschen Öffentlichkeit ist stark durch derartige Zuspitzungen geprägt ...

Ich kann durchaus nachvollziehen, wenn man vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte mit dem schlimmsten Mißbrauch rechnet. Aber mit solchen Radikalparolen werden auch Ängste bei den Betroffenen geschürt.

Dennoch überlegt der SPD-Abgeordnete Robert Antretter, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, weil die Konvention die Menschenwürde verletze. Haben Sie Angst vor Karlsruhe?

Nein, ich habe die Konvention persönlich auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft und habe keine Bedenken.

Weil die Konvention nur Mindeststandards aufstellt, die überboten werden können?

Nicht nur deshalb. Auch wenn die Regelungen in Deutschland unmittelbare Wirkung hätten, was ja nicht der Fall ist, wären sie wegen der vielen Schutzmechanismen verfassungsrechtlich vertretbar.

Welche Rolle spielen wirtschaftliche Perspektiven? Die Biomedizin ist ja auch ein potentiell bedeutsamer Markt.

Wenn die Firmen in Osteuropa forschen wollen, weil dort die Standards niedriger sind oder noch gar keine bestehen, dann können wir das nicht verhindern. Die Mindeststandards der Biomedizin-Konvention sind da als Gegenmittel sogar sehr hilfreich. Aber ich sage ganz offen: Wirtschaftliche Überlegungen spielen bei mir in dieser Frage keine Rolle. Da bin ich ganz fundamentalistisch. Es geht mir nur um die Abwägung: Schutz der von Forschungsvorhaben Betroffen und Nutzen der Forschung für andere Betroffene.

Und wie wird die Abwägung ausfallen? Sind in Deutschland die Schutzstandards zu hoch?

Im Rahmen der Ratifikation wird gegebenenfalls auch darüber gesprochen werden. Ich werde von mir aus keine Senkung der Standards vorschlagen, wozu uns ja auch die Konvention überhaupt nicht zwingt. Interview: Christian Rath

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