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Mit der Kohle auf Du und DuOfenwarm

■ Sozialamt und Doktoren fördern den Kohlehandel – aus Not und Liebe

Das Fossil im Zeitalter moderner Heizungstechnik will ordentlich gefüttert werden – mit staubigen, schwarzen Eierkohlen oder fetten Briketts. Genau die kann man im Kohlen- und Heizölladen „Beermann & Paulmann“ käuflich erwerben. Das Geschäft am Oslebshausener Bahnhof existiert seit 1934.

taz: Sie verkaufen Kohlen . Wer kauft denn im Zeitalter der Zentralheizung noch bei Ihnen?

Sven Beermann: Zu uns kommen Menschen quer durch die Bank, vom Doktoren bis zum Sozialhilfeempfänger.

Sozialhilfeempfänger? Wie das, Kohle ist doch doppelt so teuer wie Heizöl oder Gas?

Die meisten dieser Kunden leben in Gröpelingen und Oslebshausen, in so alten Einfamilienhäuser-Siedlungen wie zum Beispiel der Klitzenburg. Da ist dann eben schon ewig ein Ofen drin und eine neue Ölheizung für 12.000 Mark können sich diese Familien einfach nicht leisten.

Aber teure Kohlen können die Leute trotz ständiger Ebbe im Geldbeutel bezahlen?

Genau. Die Leute kommen mit einem Kostenübernahmeschein zu uns in den Laden, das ist sozusagen der Beleg für eine Feuerungsbeihilfe vom Sozialamt. Für die Kohlen bekommen sie soviel Geld erstattet, wie sie zum Feuern in ihrer Wohnung brauchen. Das können mitunter bis zu 1.000 Mark sein.

Wieviel Geld braucht man, um ein Einfamilienhaus mit Kohlen wohlig warm über den Winter zu bringen?

Dazu muß man schon so 1.250 Kilogramm Kohlen kaufen. 50 Kilo Steinkohlen kosten schon 36 Mark. Also insgesamt 900 Mark. Die braucht man, wenn es ganz kalt wird, um bis zu 25 Grad warm zu heizen. Braunkohle ist fünf Mark billiger. Aber die benutzt man eigentlich nur für Wärme bis zu 10 Grad, also im Herbst.

Und warum heizen Doktoren freiwillig mit Kohle?

Das soll angeblich eine ganz andere, viel angenehmere Wärme sein als wenn man mit Heizöl oder Gas heizt. Die Luft wird nicht so trocken. Es ist eben eine andere Feuerungsart.

Das ist dann zwar angenehm warm aber dafür muß man jeden Tag Kohlen aus dem Keller schleppen. Haben sich die, wie Sie sagen sozial schwachen Kunden, schon mal über ihre Öfen beklagt und wollten sie aus dem Fenster schmeißen?

Ist mir bisher nicht bekannt. Natürlich sind Gas- oder Ölheizungen um einiges bequemer. Und so was Vornehmes wie Kachelöfen haben sie natürlich nicht. In den Häusern stehen vor allem automatische Dauerbrenner, mit denen man per Rädchen die Luftzufuhr regulieren kann. Die sind zweckmäßig und halten ewig.

Was hat sich in den letzten Jahren im Kohlenhandel geändert?

Ich arbeite seit zehn Jahren hier. Da ist unser Umsatz stetig zurückgegangen. Nur noch sehr wenige Menschen haben Öfen. Zum Beispiel ältere Menschen, die sich oft gar nicht mehr davon trennen wollen. Aber wenn die mal sterben und Jüngere das Haus übernehmen, bauen die meisten dann doch moderne Heizungen ein.

Fragen: kat

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