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■ Aus B.: Alles über C., die V.-Bühne und das O.-TheaterJournalismus, vaginaler

Nie hätte ich gedacht, daß ich von jenem Abend berichten würde. Alles in mir drängte zur Versiegelung. Schamröte überstürzte mich schlossenjäh, wenn das marktief Deprimierende jener höchstens 90 Minuten in mir hochgespült wurde. Und nur Frau T. gegenüber habe ich Andeutungen gemacht, da sie diese aufschießende Röte zu mißdeuten geneigt war. T., sagte ich, Telein, ich hör' auf. Ich hab' keine Lust mehr, mich in diesen Kreisen zu bewegen. Du weißt, ich war noch bei keiner einzigen Premierenfeier, obwohl ich das feuchte Feld des Theaters seit Jahren mählich beackere, von Ballettösen halte ich mich fern, wie von Regieassistentinnen, mit Kollegen wie Kolleginnen verkehre ich geschäftlich oder gar nicht. Und dennoch es war zuviel.

Ich hatte mich vor wenigen Tagen nach der Premiere einer Arbeit des umraunten Intendanten C. an seiner V.-Bühne, ein berüchtigtes O.-Theater in B., mit einem alten Freund, der nun in einer neueren Wochenzeitung in H. die dicken Bühnenbretter bohrt, verabredet. Ich wartete im Foyer, und an seiner Seite erschien eine Dame, die sich kurze Zeit drauf im ebenfalls in H. ansässigen Konkurrenzunternehmen – ich komme darauf zurück – als junge Frau von dunklen Haaren und knabenhafter Physiognomie outen wird.

Nichtsahnend trottle ich neben dem Redakteur, dessen selbstverleugnende Höflichkeit gegenüber Frauen offenbar jedem emanzipatorischen Sturm der vergangenen Jahre standgehalten hat, da jene Dame bereits ungefragt damit kokettierte, daß sie mit dem legendären C. – aus dem möglicherweise doch noch, obgleich ihrem Einfluß entzogen, ein ernsthafter Regisseur werden könne – mehrmals diesen dunklen Weg gegangen sei, in das exotische Lokal, in dem wir wenig später Bier würden erleben müssen, das vergessenen österreichischen Limonaden gleicht. Bis es zu jener numinosen Nacht mit dem Intendanten gekommen sei, wo sie sich habe bürsteln lassen. Was dann noch des öfteren und von keiner männlichen Seite hinterfragt, anspielungsreich verwegen den Weg verschönte. Dann umschloß uns der sinistre Lärm des Lokals. Neuerliche Hinweise auf „Frank“ versanken in den gereichten Speisen.

Schon faßte ich Mut, dem alten Freund das eine oder andere Anliegen unters Käppchen zu drücken. Da stoppte mich die mitleidslos Mitteilung, daß die Dame sich nun von einem russischen Schriftsteller ficken läßt. Daß man dabei sei, Schreibexzesse in exotischem Ambiente zu organisieren und, um das Schreiben zu gewährleisten, sich versprochen habe, „nur einmal wöchentlich zu vögeln“. Was aber aus der knabenhaften Physiognomie derart herausschrillte, daß wir dieses Abkommen sofort wieder vergessen können. Verschwörerisch kopulatives Leuchten unterm Dunkelhaar.

Wie gesagt: Versiegelung, Telein, sagte ich. Irgendwie hab ich die Schnauze voll.

Wie aber nun mein Erstarren, als ich im Feuilleton der Zeit all jene Offenbarungen schamlos ausgeschüttet sehen muß! Daß sich also die Dame hat ficken lassen von C. Und wie sie sich nun rächt, weil er andere fickt oder sie nimmer ficken will. C. putzt sich die Zähne, C. hat Mami und Papi, C. zieht Vorhänge zu und Bademäntel an, C. benutzt keine Kondome. In ihr Volksbühne, kaum draußen, Volksküche – kleinbürgerliche Ostschabe.

Ich habe mich unterdessen leidlich erholt. Wahrscheinlich mach' ich weiter. Berlin schenkt der Republik den vaginalen Metropolenjournalismus. Das geschieht der Republik recht. Man vögelt sich nicht nur empor, man nimmt jetzt halt auch noch Zeilengeld mit. Wilhelm Pauli

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