: Verlobte weg – Mann sah rot
■ Gericht hatte Nachsicht mit Amokfahrer / Bewährungsstrafe
Die Staatsanwältin holte tief Luft zur Paragraphenlitanei. Anklage wegen Diebstahls in vier aufeinanderfolgenden Fällen, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Urkundenfälschung, Gefährdung des Straßenverkehrs, Unfallflucht. Für all das hatte der Angeklagte gerade sechs Stunden benötigt, bis ihn eine Reifenpanne und eine Polizeistreife zum Anhalten zwangen.
An einem Augustabend im letzten Jahr flog bei dem Angeklagten nach eigenem Bekunden „eine Sicherung raus“. Seine Verlobte war gerade ausgezogen, wegen „Streß im Beruf“ stand dem Industriereiniger die Kündigung ins Haus. Zum „Alten Holzhafen“ betrank er sich kräftig. Die Wirtsfamilie war Michael F. wohlbekannt: „Das sind die Nachbarn meiner Eltern.“
Ebenfalls bekannt war ihm, daß die Wirtstochter einen BMW fuhr, der an jenem Abend nahe der Kneipe parkte. Der Betrunkene entdeckte den Schlüsselbund des Wirtes auf dem Tresen der Schänke. Gelegenheit macht Diebe, also griff er zu, zahlte seine Rechnung und verschwand nach Hause, wo ihn weitere „acht Flaschen Bier“ (Eigenaussage) erwarteten. Noch in derselben Nacht kehrte er zum „Alten Holzhafen“ zurück, wo er mithilfe der entwendeten Schlüssel eintrat und 300 Mark Münzgeld einsteckte. Auch den BMW-Schlüssel fand er am Bund: „Ich wollte nach Hamburg, weiß aber nicht mehr, was ich da wollte“, so der Angeklagte. Geistesgegenwärtig vertauschte er das Nummernschild des BMW gegen dasjenige eines parkenden Opel („den Schraubenzieher fand ich im BMW“). Erneuter Kneipenbesuch in Sewersbrück, dann Fortsetzung der Amokfahrt. Gegen 5.30 Uhr fiel er wegen schlingernder Fahrweise einer Polizeistreife auf. Der Mann fuhr mit Vollgas davon, rammte dabei einen LKW und landete mit zwei platten Reifen auf dem rechten Seitenstreifen.
In seinem Blut wurden 1,26 Promille Alkohol festgestellt. Der Angeklagte kam glimpflich davon: Mit einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, bei dreijähriger Bewährung. Die Summe seiner Vergehen hätte eine wesentlich härtere Strafe bedeutet, begründete die Richterin, doch sei „der enge Zusammenhang aller Taten“ offensichtlich. Weiterer Entlastungsgrund: Zur Tatzeit hatte er wohl zwei Promille Alkohol im Blut. Das machte ihn „erheblich vermindert schuldfähig“.
ahm
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