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„Solange die Front hielt, gab es KZs“

■ Stimmen zur Debatte über die Einseitigkeit der Wehrmachtausstellung

Die Debatte über die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945“ schlägt in Bremen Wogen. Die Ausstellung, die im Mai direkt aus der Frankfurter Paulskirche in die Untere Rathaushalle ziehen sollte, wollen CDU-PolitikerInnen dort verhindern. Einstimmig beschloß das nach dem CDU-Landesvorstand jetzt auch die CDU-Fraktion. „Wir setzen auf das Einsehen Henning Scherfs“, so CDU-Sprecher Guido Niermann. Absicht der CDU sei es, eine „Spaltung der Bevölkerung“ zu verhindern – wozu „die Unwissenschaftlichkeit und die demagogische Inszenierung, die Wehrmachtssoldaten pauschal verunglimpft“, geeignet sei.

Derartige Sorgen sind indes nicht neu. Sie wurden in jedem der 13 bisherigen Ausstellungsorte vorgetragen. Die taz dokumentiert die überregionale Debatte in Auszügen. Vorangestellt sind Auszüge eines aktuellen Briefes des Bremer SPD-Bundestagsabgeordneten Konrad Kunick an CDU-Landeschef Bernd Neumann, unter dessen Ägide sich KritikerInnen formieren.

„Sehr geehrter Herr Neumann,

mit großem Bedauern habe ich Ihre bisherigen Äußerungen zu der geplanten Ausstellung über Wehrmachtsverbrechen im Ost-Feldzug zur Kenntnis genommen, welche die Frage aufwerfen, wo die CDU heute ihre geistigen und historischen Wurzeln sieht.

Warum sollten wir uns und die Nachkommenden nicht dauerhaft an solche furchtbaren Tatsachen erinnern? Es kann doch keine Solidarität der Demokraten mit den Mördern geben, und der Wunsch der Mißbrauchten, nicht erinnert werden zu wollen, kann doch nicht so gewichtig sein, wie die Verpflichtung, nachgekommenen Generationen Zeugnis zu geben, wie aus Nihilismus, Rassenwahn und völkischem Dünkel ein Herrschaftssystem zur Ausrottung von Gegnern aller Art bis hin zu ganzen Volksgruppen antreten konnte (...).

Mit Ihrer Streiterei gegen die Ausstellung setzen Sie sich in Widerspruch zu vielen Ihrer eigenen Gründungsmitglieder, die unter Hinweis auf Hitlers Verbrechen in Deutschland eine neue Ordnung schaffen wollten.

Sie geraten auch in Widerspruch zu den Widerstandskämpfern und Märtyrern des 20. Juli 1944, die vor dem Volksgerichtshof die moralische Berechtigung des Versuches, das deutsche Volk von Hitler zu befreien, u.a. mit den ungeheuerlichen Morden im Osten begründet haben.

Erinnern möchte ich Sie auch an den lapidaren Satz Ihres Parteifreundes Norbert Blüm, der schon vor mehr als 20 Jahren festellte: „Solange die Front hielt, arbeiteten die Konzentrationslager.“

Auf jeden Fall rege ich eine breite Forumsveranstaltung an, bei der die Ausstellung über Hitlers Ostkrieg und die Schlußfolgerungen für Gegenwart und Zukunft im Mittelpunkt stehen sollten und fordere Sie auf, Ihre Bereitschaft zum Mittragen einer solchen Veranstaltung zu erklären und sich der Diskussion zu stellen.

Die aufsehenerregendste Kritik an der Wehrmachtausstellung stammt aus der Feder des ehemaligen FAZ-Redaktionsmitgliedes Günther Gillessen. In der FAZ vom 6.2.1996 warf er der „Bildersammlung“, die erstmals dokumentarisches Fotomaterial über die Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Nazi-Verbrechen öffentlich machte, „Ungenauigkeit in der Bestimmung fotografischer Dokumente“ und „Einseitigkeiten in der Bewertung von Mitwisserschaft und Mittäterschaft“ vor. Weiter hieß es:

Die Art und und Weise der allmählichen Verwicklung von Teilen der Wehrmacht (in die immer radikaler ideologisch beeinflußte Kampfführung im Ganzen, so Gillessen), sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Ausstellung trägt nichts Neues dazu bei, im Gegenteil, sie ignoriert geradezu den Stand der Forschung. Die Hauptthese, die sie suggeriert, lautet einfach: Die Wehrmacht war eine verbrecherische Organisation, nicht weniger kriminell als der Terrorapparat Himmlers und Heydrichs, und die Legende von ihrer „Sauberkeit“, die sie nach dem Krieg um sich gewoben habe, werde hier und jetzt zerstört. Heer, der Ausstellungsmacher, bezeichnet sie einfach als zweite Säule.

Repliken anderer Medien nehmen insbesondere auf diese Vorwürfe Bezug. Unter dem Titel „Beunruhigend“ erwiderte Benedict Ehrenz am 16.2.1996 in der Zeit: Unter anderem wirft er (Gillessen Anm. d. Red.) dem Initiator der Dokumentation vor, dieser unterstehe sich, die Wehrmacht als “zweite Säule des Systems“ zu bezeichnen. Scharfe Sache, in der Tat. Nur, zu dumm, das Wort, laut Gillessen die Hauptthese der Ausstellung, stammt gar nicht von Heer. Die Formel von den „zwei Säulen“ des Systems NSDAP und Wehrmacht wurde – Basiswissen Zeitgeschichte – Mitte der dreißiger Jahre zur offiziellen Doktrin, von Hitler selber verkündet. Dies äußerte auch taz-Autor Christian Semler am 10.2.96. Er ergänzt: Gillessen unterstellt den Ausstellungsmachern Schlendrian bei der Zuschreibung von Exekutionsfotografien. Es sei nicht klar, ob es sich um Angehörige der Wehrmacht gehandelt habe. Die Hamburger hatten den Kriminalisten Daenekas, Uniformfachmann und früher bei der Zentralstelle für die Ermittlung von Naziverbrechen in Ludwigsburg tätig, als Experten engagiert . taz

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