: Hobbybastler, Sonntagsmaler
■ Das ganze Leben als Video: „Das geht ins Auge – Wie Videoamateure die Welt sehen“ (20.45 Uhr, arte)
„Ich sehe die meisten Szenen nur durchs Okular“ – „Ohne Kamera ist man sehr hilflos“ – „Auf diesen Videos ist mein ganzes Leben drauf“ – „Wenn die Kassetten weg sind, sind auch die Erinnerungen weg“ – „Durch Video ist mein Leben überschaubar geworden“: Statements aus Ilka Franzmanns Dokumentarfilm „Das geht ins Auge – Wie Videoamateure die Welt sehen“.
Die Regisseurin hat deutsche Videoamateure beim Filmen gefilmt und interviewt. Sie hat die Männer mit der Kamera (Frauen sind selten) bei der Arbeit beobachtet, auf der Berliner Funkausstellung mit Videofilmern gesprochen, eine deutsche Reisegruppe in Südafrika begleitet, einen Amateursender in Berlin-Wittenau besucht. Und was für Außenstehende wie ein harmloser Freizeittick wirkt, entpuppt sich in den Gesprächen als eine Form der Weltbetrachtung: ein Weltbild, das aus dem Medium Video kommt.
So grotesk die Aktivitäten der Videoamateure teilweise wirken, so luzide betrachten diese in Ilka Franzmanns Film ihr eigenes Tun, werden fast zu Medientheoretikern („Das Göttliche an der Kamera ist der Zoom“). Frau Franzmann beobachtet die Videofreunde ohne Voyeurismus, inszeniert sie zum Teil in prächtigen Bildern. Diese weitgehend unbekannte Subkultur zwischen Hobbybastlern und Sonntagsmalern einmal selbst vor die Kamera geholt zu haben, ist das große Verdienst dieses Films.
Leider hat Franzmann ihn auf Vollständigkeit angelegt, und so bleiben einem auch einige Langweiler nicht erspart. Längst abgesetzte Amateurvideosendungen aus der Frühzeit des Privatfernsehens werden noch einmal aufgewärmt, auch der Offene Kanal in New York lenkt eher vom Thema ab, und der unvermeidliche Jean Baudrillard muß auch noch seinen Senf dazu abgeben. Das alles ist genauso überflüssig wie die gedrechselten Feature-Kommentare („Die Videoamateure haben Sendungsbewußtsein entwickelt“). Trotzdem auf jeden Fall ein sehenswerter Film, und sei es bloß, um eine schwäbische Hausfrau auf Videotour in Afrika sagen zu hören: „Die Wirklichkeit ist anders als d'r Film.“ Tilman Baumgärtel
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