: Keine Kombipräparate gegen Kopfschmerz!
■ Das Buch gegen den Dauerkopfschmerz: Ratgeber der Bremer Apothekerin Heike Peters
Heike Peters ist Apothekerin und Sozialwissenschaftlerin, „keine Kräutertante“ und hat selbst keine Kopfschmerzen. Die Bremerin hat es sich zum Ziel gesetzt, den „Teufelskreis Kopfschmerz und Tablettenschlucken“ zu durchbrechen. So lautet auch der Untertitel ihres neuen Ratgebers „Die Schmerzspirale“. Peters benennt darin die (erwiesene) schädliche Wirkung bestimmter Schmerzmittel und zeigt ein paar Wege aus der (schwer nachzuweisenden) Tablettensucht.
Sind Sie als Apothekerin nicht Mitverursacherin der ,Schmerzspirale'?
Heike Peters: Bin ich eindeutig. Ich verkaufe Schmerzmittel.
Das soll sich ändern?
Ich möchte den Leuten klarmachen, daß sie nur Monopräparate mit nur einem einzigen Schmerzwirkstoff nehmen sollen. Diese haben nachgewiesenermaßen genau die gleiche Wirkung wie Kombinationspräparate mit mehreren Wirkstoffen.
Was ist an letzteren gefährlich?
Sie können Dauerkopfschmerz verursachen und abhängig machen. Und sie haben langfristig Nierenschäden zur Folge.
Trotzdem werden diese Kombinationspräparate verkauft.
Es sind die meistverkauften. Das ist auch der Skandal. Psychologen, Neurologen, Schmerztherapeuten, fast die gesamte Ärzteschaft fordert immer mehr, daß diese Mittel unter Rezeptpflicht gestellt werden oder vom Markt verschwinden.
Die Pharmaindustrie als Beelzebub. Was tun Sie?
Ich kann zwar diejenigen beraten, die mit Kopf- oder Rückenschmerzen oder Menstruationsbeschwerden kommen und eine Empfehlung wollen. Denen, die bereits täglich ihr ganz bestimmtes Mittelchen nehmen, kann ich das nicht ausreden, falls ich dagegen bin. Die kommen drei-, viermal die Woche und wissen genau, was sie wollen.
Wo soll dann die Aufklärung stattfinden?
Die Leute, die häufig unter Kopfschmerzen leiden, Migräne oder Spannungskopfschmerzen haben, müssen sich informieren – durch Bücher oder Gespräche: Wenn keine anderen Methoden wie Autogenes Training, Akupunktur oder Hydrotherapie mehr helfen, welches Schmerzmittel ist dann das richtige für mich? Und die Patienten müssen darauf drängen, daß sie zu dem Schmerzmittel auch ein Magenpräparat bekommen.
Warum funktioniert das nicht?
Weil die Diagnostik fehlt. Es gibt 168 verschiedene Kopfschmerzarten, die kann man ganz genau klassifizieren. Kopfschmerzpatienten sollen ein sogenanntes Schmerztagebuch führen, in dem sie Tag für Tag die Dauer, die Intensität und die Begleiterscheinungen ihrer Kopfschmerzen eintragen.
Sie sagen in Ihrem Buch, die Lebensumstände von Frauen seien (kopf-)schmerzfördernd. Der Kopfschmerz als gesellschaftliches Problem?
Natürlich. Aber ich wehre mich dagegen, zu sagen, Kopfschmerz sei eine reine Frauensache. Aber man muß die Kopfschmerzen von Frauen auch ernst nehmen.
Sind das denn besondere Kopfschmerzen?
Nein, aber Frauen leiden häufiger darunter. Oder sagen wir besser, Frauen gehen mit ihren Kopfschmerzen häufiger zum Arzt. Vielleicht tun sie das, weil sie nicht so viel private Erholungsräume haben wie Männer. Männer können sich zu Hause schon mal fallenlassen, die Frau macht dann einen kalten Wickel und schirmt die Kinder ab.
Sagen Sie das jetzt als Sozialwissenschaftlerin?
Nee, das sind Tatsachen. Eine Frau, die die berühmte Dreifachbelastung mit Kinder, Beruf und Haushalt hat, kann sich nicht so einfach ins dunkle Zimmer zurückziehen.
Was empfehlen Sie den Frauen?
Zeit nehmen, Raum nehmen, Streß abbauen.
Das ist sehr abstrakt.
Stimmt. Konkret, hm – wenn die Kopfschmerzen in den Morgenstunden auftreten, muß man vielleicht die Kinder für zwei Stunden in der Kindergruppe anmelden. Und in dieser Zeit dann nicht die Küche sauber machen, sondern sich hinlegen oder zum Joggen gehen.
Das muß man sich leisten können?
Richtig. Die ersten Berichte über Kopfschmerzmittelmißbrauch stammen aus der Schweiz, aus der Uhrenindustrie, wo sehr viele Frauen regelmäßig unter Kopfschmerzmittel gesetzt wurden, damit sie überhaupt arbeiten konnten. Kopfschmerzen sind sowohl ein gesellschaftliches als auch ein ökonomisches Problem.
Fragen: Silvia Plahl
Heute ist „Kopfschmerztag“ in Bremen.
Bremens ÄrztInnen, ZahnärztInnen und ApothekerInnen laden heute nachmittag in die Stadthalle. Dort soll die „Volkskrankheit Kopfschmerz“ und ihre Ursachen von FachmedizinerInnen referiert und anschließend diskutiert werden. Beginn ist um 15 Uhr, Ende gegen 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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