: Viel Stuck und Verkehr für die gute Stube
■ Bau- und Verkehrsenator Klemanns Entwurf für eine Gestaltungssatzung des Boulevards Unter den Linden schreibt plastische Stuckfassaden vor und erlaubt vierspurigen Verkehr. Aus für das Opernforum?
Jürgen Klemann (CDU) bleibt sich treu. Reichlich Stuck, aber kein Glas – so stellt sich der Bausenator die Fassaden am Boulevard Unter den Linden vor. Die ursprünglich vorgesehene Reduzierung des Verkehrs auf eine PKW-, Bus- und Parkspur je Fahrbahn soll dagegen nicht umgesetzt werden. Dies sieht der bisher unveröffentlichte Entwurf einer „Verordnung über die Gestaltungsregelungen für die Straße Unter den Linden“ vor, der der taz vorliegt. Er soll noch im Herbst vom Abgeordnetenhaus beraten werden.
Ahnlich wie der Pariser Platz soll auch die Straße Unter den Linden wieder zur guten Stube Berlins werden. Für die Fassaden ist deshalb eine strikte Gliederung in eine Erdgeschoßzone, eine Sockelzone von 5,40 bis 6,80 Meter Höhe, einen Mittelbereich und eine obere Abschlußzone vorgeschrieben. Restriktive Vorgaben sind auch für die Verwendung der Fassadenmatierialien vorgesehen. „Die Verwendung von glänzenden und spiegelnden Materialien wie auch Sichtmauerwerk sind bei der Fassadengestaltung unzulässig“, heißt es. Untersagt sind auch „durchgehende horizontale Fensterbänder oder „Fassadenöffnungen mit einer Größe von mehr als 40 Quadratmeter“. Im Sinne eines preußischen Historismus sollen die Fassaden statt dessen durch „Gesimse und Balkone“ plastisch gegliedert werden, in der Fassade soll die Vertikale betont werden.
Sollte Klemanns Linden-Entwurf verabschiedet werden, wäre das auch das Aus für das gläserne Opernforum, mit dem der Architekt Langhof und der Investor Eder die Komische Oper umgeben wollen. Chancen hätte dann nur noch der biedere Lochfassadenentwurf der „Lindengalerie“, den die konkurrierende Investorengruppe Hanseatica und Wert-Konzept vorgestellt haben.
Im Gegensatz zur rigiden Fassaden- und Stuckvorstellung des Bausenators soll der Verkehr dagegen – wie bereits im Ausschuß Berlin 2000 im September beschlossen – gänzlich unreglementiert fließen dürfen. Zwar beruft sich ein alter Entwurf Klemanns für die Linden-Satzung noch auf ein Gutachten, das die Bauverwaltung bereits im Jahre 1992 in Auftrag gegeben hat. Dort heißt es unter anderem, daß die „künftige Ausstrahlung dieses Verkehrszugs mit ihrer Benutzungsqualität für Fußgänger“ stehe und falle. In einer aktuellen Fassung wird jedoch auf das Ergebnis des Ausschusses Berlin 2000 verwiesen, in dem sich Klemann mit seiner Vorstellung eines autogerechten Boulevards gegen Umweltsenator Strieder durchsetzen konnte. Statt einer Reduzierung des Verkehrs auf eine PKW-, Bus- und Parkspur sollen nun vier Spuren je Fahrbahn gebaut werden. Außerdem soll die ursprünglich vorgesehene Verlängerung des Mittelstreifens über den Kreuzungsbereich der Universitäts- und Neustädtischen Kirchstraße hinweg entfallen.
Auf scharfe Kritik stoßen die Vorstellungen Klemanns bei den Bündnisgrünen. So hat das Bündnis Mitte bereits einen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag eingebracht, in dem die weitere Berücksichtigung des Gutachtens von 1992 gefordert wird. Uwe Rada
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