: Welajati für Mord mitverantwortlich?
Plädoyer der Bundesanwaltschaft: „Mykonos“-Morde waren „Staatsterrorismus“. Erstmals wurde Irans Außenminister Welajati, Kinkels Gesprächspartner, als Verantwortlicher genannt ■ Aus Berlin Dieter Rulff
Als „überfallartig, kaltblütig und offensichtlich politisch motiviert“ charakterisierte Oberstaatsanwalt Bruno Jost gestern zu Beginn seines Plädoyers die Morde im Berliner Lokal „Mykonos“. Dies hebe die Tötung der vier kurdischen Oppositionspolitiker im September 1992 aus dem Kreis der normalen Tötungsdelikte hinaus. „Ungewöhnlich“ nannte der Vertreter des Generalbundesanwalts deshalb das Verfahren, in dem am gestrigen 219. Verhandlungstag die Runde der Schlußplädoyers eröffnet wurde. Ungewöhnlich sei es auch wegen des „staatsterroristischen Hintergrundes der Tat“ gewesen. Nach Josts Auffassung hat die Beweisaufnahme ergeben, daß der Befehl, den damaligen Führer der Demokratischen Partei Kurdistans im Iran (DPK-I), Sadegh Scharafkandi, zu töten, vom religiösen Führer des Iran, Ali Chamenei erlassen wurde.
Der Befehl Chameneis sei, so Jost, von einem „Komitee für Sonderaufgaben“ mitgetragen worden, das der iranischen Regierung übergeordnet sei. Der Mordbefehl sei 1991 ergangen, mit der Umsetzung sei der Geheimdienstminister Ali Fallahian betraut worden. Als Mitglieder dieses Komitees benannte die Anklagevertretung unter anderem den iranischen Staatspräsidenten Ali Akbar Rafsandschani, Fallahian, Chamenei, den Kommandeur der Pasdaran, Mohsel Razai, sowie Außenminister Ali Akbar Welajati. Während erstere bereits Anfang September von dem ehemaligen Staatspräsidenten Bani Sadr bei dessen Zeugenaussage beschuldigt worden waren, wurde der Name Welajati zum ersten Mal öffentlich ins Spiel gebracht. Er muß offensichtlich von der „Quelle C“ benannt worden sein, einem hohen Mitarbeiter des iranischen Geheimdiensts, der im April aus dem Iran geflüchtet war und der vor zwei Wochen unter Ausschluß der Öffentlichkeit im Prozeß ausgesagt hat.
Diese Aufnahme Welajatis in den Kreis der möglicherweise Verantwortlichen für den „Mykonos“- Mord dürfte Außenminister Klaus Kinkel (FDP) in Bedrängnis bringen, der bislang an der Politik des kritischen Dialogs festhält und dabei auf iranischer Seite vor allem auf seinen Amtskollegen baut, den er zuletzt Ende September getroffen hat. Wegen der Ermittlungsergebnisse hatte ein Richter am Bundesgerichtshof bereits im März Haftbefehl gegen Fallahian erlassen, gegen Chamenei und Rafsandschani wird die Einleitung von Ermittlungen zur Zeit geprüft.
Jost erklärte zu Beginn seines Plädoyers, es sei ungewöhlich, zu welcher Einflußnahme auf deutsche Stellen und die Justiz sich der Iran habe hinreißen lassen. Allerdings habe es „keinerlei Einflußnahme“ auf die mit der Bearbeitung des Sachverhalts Betrauten gegeben.
Das Urteil sei „ein politisches Urteil“ im dem Sinne, daß eine klare Nennung des staatsterroristischen Hintergrunds unausweichlich sei. Als hätte er geahnt, welche Irritation eine solche Formulierung aus dem Munde eines Vertreters der Generalbundesanwaltschaft hervorruft, schob er gleich hinterher, daß dieses Verfahren „nicht mehr und nicht weniger als die strafrechtliche Aufarbeitung“ der Vorwürfe sei. Darüber hinaus gehende Konsequenzen und Wertungen, so Jost, „sind anderenorts zu treffen und haben hier außen vor zu bleiben“.
In der Sache sieht es die Staatsanwaltschaft als erwiesen an, daß am Abend des 17. Septembers 1992 der Angeklagte Abbas Rhayel und ein bislang nicht gefaßter Sharif bewaffnet das Lokal „Mykonos“ betraten, in dessen hinterem Gastraum sich acht iranische Oppositionspolitiker zu einem Essen versammelt hatten. Vier von ihnen wurden mit 36 Schüssen aus einer Maschinenpistole und einer Pistole getötet. Die Waffen sollen über das iranische Generalkonsulat in Frankfurt organisiert worden sein. Die Organisation des Anschlags soll in den Händen des Angeklagten Kazem Darabi gelegen haben, drei weitere Angeklagte sollen an der Planung und Durchführung beteiligt gewesen sein.
Darabi soll Mitarbeiters der iranischen Geheimdiensts sein und die Aufgabe erhalten haben, „sich maßgeblich an der Liquidierung der DPK-I Führung zu beteiligen“. Zu diesem Zweck sei auch ein Hit- Team aus dem Iran eingeflogen, dessen Führer Banihashemi möglicherweise identisch mit dem gesuchten Sharif sei. Das die Attentäter Kenntnis von dem Treffen im „Mykonos“ erhielten, obwohl dies erst zwei Tage zuvor konspirativ verabredet worden war, führt die Staatsanwaltschaft darauf zurück, daß sich in den Reihen der Oppositionspolitiker womöglich ein Verräter befand. Die Bundesanwaltschaft wird morgen ihr Plädoyer fortsetzen, mit einem Urteil wird Ende des Jahres gerechnet.
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