: Öffentliche Trauerarbeit ist längst überfällig
■ Der Schwulenverband fordert Aids-Denkmal auf dem Nollendorfplatz
Eine rote Schleife soll in den Boden vor dem Café Swing am Nollendorfplatz einbetoniert werden. Mit einem solchen Aids- Denkmal will der Schwulenverband Berlin-Brandenburg ein Zeichen setzen. Pressesprecher Alexander Zinn: „Wir wollen das Thema Aids aus der Anonymität zurück in die öffentliche Diskussion holen. Wir fordern die Errichtung eines Aids-Denkmals im Schöneberg.“
Weil Aids zwar vor 15 Jahren „entdeckt“ und schnell zu einem Medienthema wurde, heute aber aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit weitgehend verdrängt sei, sei die Krankheit eine reine Privatsache der Betroffenen, der Umgang mit Tod und Trauer noch immer tabu. „Eine öffentliche Trauerkultur ist längst überfällig“, unterstreicht Zinn. Zahlen allein würden nicht reichen, um Sensibilität für das Thema zu schaffen.
Von 1982 bis 1996 sind in der Stadt 8.000 Menschen als HIV-positiv registriert worden, 3.600 an Aids erkrankt und 2.400 an den Folgen von Aids gestorben. Jährlich sterben noch 400 Menschen an Aids. Im Zuge der Umgestaltung des Nollendorfplatzes soll das Aids-Denkmal hier einen Platz finden. „Schöneberg ist der Szene-bezirk, die Kneipen, Cafés und Bars am Nollendorfplatz gelten als Treffpunkt der Schwulen. Die schwule Szene ist hier präsent“, sagt Alexander Zinn. Der Bezirk müsse sich der Problematik stellen. Bereits im August gab es erste Gespräche mit Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnis 90/ Die Grünen), „aber seitdem ziehen die sich in die Länge“, drückt sich Zinn vorsichtig aus. Das richtige Engagement vermisse er.
Die leise Kritik will Elisabeth Ziemer nicht gelten lassen. Um solch ein Denkmal aufzustellen, bedürfe es längerfristiger Diskussionen und vor allem: „Es muß erst einmal ein Bebauungsplan für den Nollendorfplatz vorliegen.“ Dieser sei noch in Arbeit und werde erst in der nächsten Bezirksverordnetensitzung den Abgeordneten vorgestellt. Weitere Frage seien zu klären. Wie soll das Denkmal aussehen? Wo soll es genau aufgestellt werden? Ist am Nollendorfplatz ein Denkmal überhaupt noch sinnvoll? Schon jetzt hängt am U-Bahnhof Nollendorfplatz ein Rosa Winkel, eine Gedenktafel, die an die Verbrechen der Nazis an Homosexuellen erinnert. Ziemer: „Ich bin einfach nicht sicher, ob das Aids-Denkmal genau gegenüber richtig plaziert ist.“ Jens Rübsam
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