: Das Hohelied der Individualität
Mode ist mehr: StudentInnen der HdK präsentieren ein neues Werbekonzept für umweltverträglich hergestellte Bekleidung – der Begriff „Öko“ kommt darin nur am Rande vor ■ Von Kirsten Niemann
„Wir wollten ein Konzept entwerfen, mit dem man Britta Steilmanns Öko-Mode präsentieren kann, ohne daß der Kunde sich gleich gruselt.“ So formuliert die Studentin Saskia Jelinek vom Fachbereich Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation das Ziel ihres Werbeprojekts, das dieser Tage an der HdK unter großem Beifall präsentiert wird. Und indirekt schildert sie somit das Problem: Ökomode hat bei vielen ein lausiges Image.
Die meisten Kunden denken dabei noch immer an einen sackartigen Schlabberlook für 40jährige Birkenstock-TrägerInnen, an von Hand gestrickte Elche auf kartoffelfarbenen und kratzigen Pullovern. Neben der Landwirtschaft soll die Textilindustrie der größte Umweltverschmutzer der Welt sein. Grund genug, der Ökotextilie das „gruselige“ Image zu nehmen und ihr das Attribut „fortschrittlich“ zu verpassen.
Seit über sechs Jahren arbeitet Britta Steilmann daran, für ihre auf Haut- und Umweltverträglichkeit basierende Kollektion, die nicht von Kinderhänden, sondern „sozial korrekt“ und auf „vernünftiger Lohnbasis“ hergestellt wird, einen Absatzmarkt zu finden. Sie scheiterte jämmerlich. Die Ökokollektion, die bislang unter dem programmatischen Labelnamen „It's One World“ vermarktet wurde, besteht dabei vornehmlich aus Basic-Teilen, wie sie irgendwie in jeden Kleiderschrank gehören. Am Design und Preisniveau der Pullis, Röcke, Jeansjacken und Hosen kann der mangelnde Absatz kaum liegen: Die Stücke sind stilistisch irgendwo zwischen Calvin Klein und H&M angesiedelt.
Zudem will Steilmann eigentlich dieselbe Zielgruppe ansprechen: Nicht die zwei bis drei Prozent, die sich zum alternativen Umfeld zählen, sollen bedient werden, sondern junge Arbeitnehmer aller Schichten im Alter von 18 bis 35 Jahren. Diese machen immerhin 27 Prozent der Bevölkerung aus, halten sich in der Regel sogar für ökologisch bewußt, würden ihre Vorstellungen von Mode jedoch niemals dem Duktus eines wenig ansprechenden Designs unterwerfen.
Als erstes wurde direkt der Labelname über Bord geworfen. „It's One World“ tauge bloß als Motto der Firma, fanden die fünf StudentInnen heraus. Viel geeigneter sei dagegen der Name der Macherin: Britta Steilmann ist rund 38 Prozent der Bevölkerung bekannt, ihre Ökokollektion dagegen nur 0,6 Prozent. Die wichtigste Erkenntnis ist die Tatsache, daß man mit dem Begriff „Öko“ nicht für Mode werben kann. Denn Mode ist immer mehr als Bekleidung. Mode stellt für die meisten Menschen eine ganz persönliche Ausdrucksform dar, mittels derer sie mit ihrer Umwelt kommunizieren. „Öko“ steht dagegen schlicht für das „Wir“, für gemeinsame Interessen.
Doch wer in Sachen Mode etwas auf sich hält, will genau das nicht. Der will sich abgrenzen und individuell sein. Die Lösung der fünf angehenden Werbe-StrategInnen ist so naheliegend wie einfach: nicht das ökologisch korrekte Bewußtsein des Trägers ist Kern der Werbung, sondern die Mode selbst! Daß die Sachen obendrein ökologisch korrekt hergestellt wurden, geht außer dem Träger niemanden etwas an. „Selbst wenn Sie ganz nah herangehen, können Sie nicht sehen, daß unsere Mode vom Rohstoffanbau bis zum fertigen Kleidungsstück umweltschonend und dabei nicht mal teuer ist“, wird auf den ersten Werbeplakaten als Kleingedrucktes zu lesen sein. Und „Für die anderen ist es Mode.“
Die Projektgruppe der HdK hat somit ein plausibles Konzept vorgelegt, wie sich die Steilmann- Mode vermarkten läßt. Das schlechte Image, das der Öko- Branche nun einmal prinzipiell anhaftet, kann auf die Schnelle gewiß nicht ausgebügelt werden. Das müssen die Modedesigner künftig schon selber machen; hoffentlich mit zeitgemäßen und tragbaren Entwürfen.
Präsentation noch heute, HdK, Einsteinufer 43–53
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