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Autos sind viel schlimmer als Punks

■ Uni Hamburg untersucht Gesundheitsfaktoren in der Großstadt am Beispiel Ottensen Von Lisa Schönemann

Ehemalige besetzte Häuser schmiegen sich an neue Sozialbauten, „Es lebe der Marxismus-Leninismus-Maoismus“, steht an einer Fassade, „Feiert das 100. Jubiläum von Mao Tse Tung“ an einer anderen, in aller Herrgottsfrühe ist der Bäcker vom „Café Vollrath“ als erster auf den Beinen. In einem Geschäft am Markt werden braune Filzpantoffeln für 44,90 Mark feilgeboten. Mittdreißigerinnen in schwingenden Designermänteln schieben plärrende Blagen in teuren Kinderwagen vorbei: Ottensen ist ein vielschichtiger Stadtteil.

Ein Forschungsteam vom Institut für Medizin-Soziologe der Uni Hamburg hat 600 Bewohnern Ottensens die Frage gestellt, wie gesund sie sich in ihrem Viertel fühlen, und was sie krank macht. 43 Prozent der auf der Straße befragten Passanten bezeichneten das hohe Verkehrsaufkommen als Hauptärgernis. 33 Prozent der Interviewten sind über den Lärm genervt und 30 Prozent stört vor allem die schlechte Luft. Außerdem wurden Belästigungen durch Tiere und Hundekot kritisiert. Über 70 Prozent der Befragten - rund ein Viertel von ihnen sind Zuwanderer - wohnen länger als fünf Jahre in dem Quartier.

Den negativen Eindrücken stehen auch positive Betrachtungen gegenüber: 42 Prozent gaben an, die Stadtteilatmosphäre und die multikulturelle Vielfalt gebe ihnen ein behagliches Gefühl. Das läge speziell an den Geschäften und kleinen Handwerksbetrieben, hebt ein Drittel der Bewohner hervor. Und: Ein Viertel der Ottensener wertet die Elbe als einen Garanten für Gesundheit und Wohlbefinden. Bettelnde Punks und Obdachlose stören die Passanten weit weniger, als oft angenommen wird. Was in Flugblättern und Medien wiederholt als das Hauptproblem Ottensens dargestellt worden ist - die „Verslumung“ des Stadtteils - läßt sich durch die Untersuchung nicht bestätigen. Nur zwölf Prozent der Ottensener sehen die Habenichtse nicht gern.

Die Wissenschaftler sind an das Projekt „Gesundheitsförderung, Bürgerbeteiligung und Stadterneuerung“ mit dem Ziel herangegangen, gesundheitsfördernde Maßnahmen für die Stadtplanung zu entwickeln. Wer sich in seinem Stadtteil wohl fühlt, bleibt länger gesund, so die Überzeugung der Wissenschaftler. Gesundheitsfördernde Maßnahmen wollen nicht allein Krankheiten verhüten, sondern eine „gesundheitsrelevante Lebensqualität“ ins Auge fassen, wie Waldemar Süß vom Institut für Medizin-Soziologie sagt. Dazu sei es notwendig, subjektive Wahrnehmungen der Bewohner von fördernden und störenden Einflüssen auf ihr Wohlbefinden zu untersuchen. „Die Probleme, die mit dem zunehmenden Autoverkehr verbunden sind, finden bisher keinen Niederschlag in den Überlegungen für eine Gesundheitsförderung“, so der Soziologe.

Auf die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten wünschen sich die meisten Passanten, von denen 2000 befragt werden mußten, weil viele nicht antworten mochten, Verkehrsberuhigungen, autofreie Zonen und Radwege. Allerdings kann sich über die Hälfte der Ottensener (54 Prozent) nicht vorstellen, selbst darauf hinzuwirken, daß sich etwas tut. Darüber kann selbst die vor allem im Osterkirchenviertel angesiedelte Vielfalt von Stadtteil-Initiativen und Runden Tischen nicht hinwegtäuschen.

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