: Kohle und Atome spalten die Genossen
Die niedersächsische Landesregierung muß fürchten, daß die SPD-Führung in Bonn Gorleben als Atomendlager akzeptiert. Im Tausch dafür bietet Kanzler Kohl Kohlesubventionen ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – „Die Haltung der niedersächsischen Landesregierung zum Endlager Gorleben ist unverändert. Der Salzstock ist nach allen Untersuchungen ein ungeeigneter Endlagerstandort.“ Mit diesen Sätzen dementierte die Staatskanzlei in Hannover gestern Meldungen, die SPD wolle einen Kuhhandel abschließen nach dem Motto: Tausche Zusagen auf weitere Subventionen für die deutsche Steinkohle gegen ein Ende des Widerstands gegen ein Atomendlager im Wendland. Allerdings weiß auch der Sprecher von Gerhard Schröder um die Kontakte zwischen der Bonner SPD-Führung und dem Bundeskanzleramt über einen sogenannten Energiekompromiß. Nur ist Gerhard Schröder diesmal bei der Konsenssuche zwischen Regierung und der größeren Bonner Oppositionspartei nicht mit von der Partie.
„Wir sind bisher nicht gefragt worden“, sagt sein Sprecher Uwe- Karsten Heye. Die Gefahr, daß die Genossen in Bonn bei der Atommüllentsorgung auf Kosten Niedersachsens Zugeständnisse machen könnten, will er auch nicht von der Hand weisen. „Beim Gorlebener Endlager steht die Glaubwürdigkeit der SPD auf dem Spiel“, warnt der Regierungssprecher sowohl den SPD-Chef Oskar Lafontaine als auch den Fraktionsvorsitzenden Rudolf Scharping.
Den sich anbahnenden SPD-internen Zwist kann sich Bundeskanzler Kohl zugute schreiben. Erst kürzlich hatte er ein Gespräch mit dem Chef der IG Bergbau und Energie über die Fortschreibung der Kohlesubventionen vertagt. Parallel verlangte Kohl die Zustimmung der SPD zur Atommüllendlagrung in Gorleben.
SPD-Nein zu Gorleben steht auf dem Papier
Obwohl die Bundes-SPD durch Parteitagsbeschlüsse auf ein Nein zum Gorlebener Endlager festgelegt ist, hat Parteichef Oskar Lafontaine Kohls Ansinnen alles andere als strikt zurückgewiesen. Vor mit Fackeln demonstrierenden Bergleuten sagte der saarländische Ministerpräsident vor gut einer Woche: „Wir sind sehr wohl bereit, angesichts der großen Menge des radioaktiven Mülls bei der Entsorgungsfrage zu einer Vereinbarung mit der Koalition zu kommen.“
Diese Äußerungen Lafontaines hat gestern der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen aufgegriffen, dem auch die Kohlekumpel wichtiger sind als ein tatsächlich geeigneter Standort für ein Atommüllendlager. Auf Kohls Signal, daß ein Entsorgungskonsens beim Atommüll eine vernünftige Regelung für die Kohle erleichtern würde, habe Lafontaine positiv reagiert, meinte Matthiesen gegenüber der Welt am Sonntag. NRW-Landesvater Johannes Rau wollte sich allerdings gestern nicht so leicht in die Kohlsche Intrige einspannen lassen. Er werde sich dagegen wehren, daß „gewissermaßen die Kohle und die Bergleute als Geiseln genommen würden, damit es einen Entsorgungskonsens gibt“, sagte der NRW-Ministerpräsident im Deutschlandfunk. Meldungen, daß Helmut Kohl und Rudolf Scharping sich in einem persönlichen Gespräch bereits auf einen Deal Endlager Gorleben gegen weiter Kohle für die Kohle geeinigt hätten, wurden inzwischen vom Bundeskanzleramt dementiert. Dennoch ist in Hannover die Befürchtung groß, daß den Bonner Genossen Anti-Atom-Demos im Schröder-Land akzeptabler erscheinen als Proteste der Kohlekumpels an Ruhr und Saar.Kommentar Seite 10
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