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Detailplan für Bombenstoff

RWE will Plutonium in die USA liefern. Der Vertragsentwurf ist sehr konkret – genauso auch die ersten Proteste  ■ Aus Frankfurt am Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Die Schnelle-Brüter-Kernkraftwerksgesellschaft (SBK), eine Tochtergesellschaft der RWE Energie AG, hat offenbar einen Abnehmer für 205 plutoniumhaltigen Brennelemente gefunden. Es handelt sich dabei um das US-Unternehmen Advanced Nuclear and Medical Systems (ANMS) in Richland im US-Bundesstaat Washington. Einen entsprechenden Vertrag, der in Kopie der taz vorliegt, haben beide Parteien bereits unterschriftsreif konzipiert. Bis Ende 1998 sollen alle 205 Brüterbrennelemente in den Besitz von ANMS übergegangen sein.

Wie Sauerbier hatte SBK in den vergangenen fünf Jahren diese Brennelemente angeboten. Der nukleare Brennstoff war einst in der Hanauer Alkem-Atomfabrik für den nie in Betrieb gegangenen Schnellen Brüter in Kalkar assembliert worden. Mit einem Plutonium-Anteil von 1.800 Kilo hätte er in keinem „konventionellen“ AKW zum Einsatz kommen können.

Das Angebot aus Richland kommt zur rechten Zeit. Denn in Hanau und im schottischen Dounreay, wo die plutoniumhaltigen Brennstäbe jetzt lagern, ist schon in Kürze kein Platz mehr für sie. Die Abnahme der 205 Brennelemente durch ANMS wird die RWE-Tochter SBK allerdings viel Geld kosten: 35,8 Millionen US- Dollar. Zum Einsatz kommen sollen die Brüterbrennelemente in einem abgeschalteten, erneut zu reaktivierenden 400-Megawatt- Schnellbrüter (FFTF) auf dem Atomgelände in Hanford (Washington). Der US-Brüter wurde 1982 in Betrieb genommen und soll, nach Angaben von ANMS, für eine Laufzeit von 23 bis 30 Jahren konzipiert gewesen sein.

In den späten 80er Jahren hatten die damaligen Betreiber des Atomgeländes Hanford im FFTF den Spaltstoff Gadolinium-135 von höchster Reinheit und andere Isotope für medizinische Zwecke produziert. Der FFTF war damals auch Testreaktor für neue Brennelemente – insbesondere sollte aus Plutonium und Uran gemischter Brennstoff dort ausprobiert werden. Das jedenfalls geht aus einer Objektbeschreibung des US-Departments of Energie (DOE) für den FFTF hervor, die im Zusammenhang mit Privatisierungsplänen des DOE für den Reaktor veröffentlicht wurde.

Vorher hatte der FFTF in der US-Atomwaffenschmiede Hanford den Spaltstoff Tritium produziert – für die „Füllung“ von Atomprengköpfen. Und Tritium soll der Reaktor, bestückt mit den MOX- Brennelementen der SBK, nach den Vorstellungen von ANMS zunächst auch wieder liefern: für das US-Energie- und das US-Verteidigungsministerium. In einem internen „Business Plan“ von ANMS heißt es, daß die Tritium-Produktion in Hanford so lange „auf billige und verläßliche Weise“ fortgesetzt werden könne, bis der „abnehmende Tritium-Vorrat“ der US-Streitkräfte wieder aufgefüllt sei. Das berichtete der Spiegel vor Monatsfrist.

Das Tritium soll für die Bombe sein

Deutscher Bombenstoff also für US-Atomwaffen? Das sieht auch Atomexperte Michael Sailer vom Öko-Institut in Darmstadt so. Daß es ANMS um die Produktion von Isotopen für medizinische Zwecke gehe, hält Sailer für eine „blöde Ausrede“. Denn die medizinischen Isotope seien auf dem Weltmarkt in ausreichendem Maß vorhanden und ließen sich anderswo weitaus schneller und kostengünstiger herstellen. ANMS und dem US-Verteidigungsministerium, so Sailer, gehe es um die Produktion von Tritium, das die Sprengkraft von Plutonium in einer Spaltbombe um das Dreifache erhöhe.

Inzwischen hat die RWE Energie AG in Essen bestätigt, daß Gespräche zwischen ANMS und SBK über die Abnahme der 205 Brüterbrennelemente stattfanden. Eine verläßliche Prognose über den Ausgang dieser Verhandlungen könne noch nicht abgegeben werden, schrieb Ulrich Mutschler, Direktor der RWE Energie AG, drei Umweltschutzgruppen.

Das ist ein Understatement. Denn der in Kopie der taz vorliegende, unterschriftsreife Vertrag zwischen ANMS und SBK wurde bereits am 24. September 1996 fertig ausgearbeitet. In diesem Vertrag sind die Bedingungen für den Transport (Luftfracht oder Schiff) der 205 MOX-Brennelemente von Hanau und Dounreay in die Staaten en détail geregelt, die Zahlungsmodalitäten aufgelistet und auch die „Gegenleistung“, die ANMS für die insgesamt 35,8 Millionen Dollar zu erbringen hat, klar benannt: Sind die Brennelemente erst einmal in Hanford eingetroffen, übernimmt ANMS die volle Verantwortung – insbesondere für mögliche nukleare Risiken und alle daraus resultierenden Kosten.

Ihren Protest gegen den Deal zwischen ANMS und SBK haben Mitte Oktober 96 mehrere US-Senatoren und Kongreßabgeordnete angemeldet. In einem Schreiben an das US-Energieministerium sprachen sie sich gegen die Wiederinbetriebnahme des FFTF zur Produktion von waffengrädigem Tritium aus. Der Reaktor sei „erfolgreich heruntergefahren worden“ und müsse jetzt abgerissen werden – auch aus Kostengründen, denn allein die Betriebsbereitschaft koste den amerikanischen Steuerzahler jährlich rund zehn Millionen Dollar. Das Geld, so der republikanische Senator Mark O. Hatfield aus Washington und sein demokratischer Kollege Ron Wyden aus Oregon würden für den Schutz des Columbia Rivers vor radiaktiv verseuchtem Grundwasser dringend gebraucht.

Hanford, der größte Atomschrottplatz der westlichen Welt, liegt direkt an dem Fluß, aus dem sich Hunderttausende mit Trinkwasser versorgen. In der größtenteils stillgelegten Atomfabrik sammeln sich seit dem Manhattan- Atomwaffenprojekt im zweiten Weltkrieg riesige Mengen hochradioaktiven Abfalls – in abgeschalteten Reaktoren oder in riesigen unterirdischen Tanks. Ein Teil der radioaktive Abfälle ist auf dem Gelände verbuddelt worden.

Daß die Tritium-Produktion im FFTF auf dem Hanford-Areal ausgerechnet mit deutschem Plutonium wiederaufgenommen werden soll, hat auch Greenpeace USA alamiert. Gegen die geplanten Landtransporte von einem Zwischenlager in Tennessee quer durch die Staaten an die Westküste nach Hanford will Greenpeace Proteste organisieren. Und auch in Deutschland regt sich Widerstand. Man habe doch nicht für das Ende der Atom- und Plutoniumwirtschaft gekämpft, um jetzt mit ansehen zu müssen, wie „das Zeug“ zu US-Atombomben verarbeitet werde, schimpft Eduard Bernhard vom BBU: „Das werden wir nicht akzeptieren.“

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