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„Die Führung in Teheran ist jetzt empfindlicher geworden“

■ Der Bündnisgrüne Kambiz Behbahani über das deutsch-iranische Verhältnis und die Demonstrationen vor der deutschen Botschaft

Kambiz Behbahani (49) wurde in Teheran geboren. Er ist iranischer und deutscher Staatsbürger und Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen.

taz: Was bedeuten die Demonstrationen vor der deutschen Botschaft in Teheran?

Kambiz Behbahani: Das ist eine organisierte Demonstration der Machthaber. Sie wollen ihre Muskeln auch einmal den Deutschen zeigen. Ich bin ein bißchen froh über die Ereignisse, denn bisher hat die iranische Führung Morde an Oppositionellen immmer als Gottesbefehl verkauft und Koranzitate als Rechtfertigung benutzt. Die jetzigen Reaktionen in Teheran zeigen, daß die Führung in bezug auf internationale Verurteilungen empfindlicher geworden ist.

Teheraner Zeitungen fordern den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Deutschland. Halten Sie das für ernst gemeint?

Nein. Das wird sich mit der Zeit beruhigen. Die iranische Führung hält Deutschland für eine gute Brücke zur Europäischen Union.

Was wird aus dem kritischen Dialog Bonn–Teheran?

Dieser kritische Dialog muß geführt werden ...

Mit was für Inhalten?

Zum Beispiel die Verfolgung iranischer Oppositioneller, die Einhaltung der Menschenrechte im Iran, die Herstellung von Meinungs- und Pressefreiheit, die Zulassung von Parteien.

Im Kleinen scheint die deutsche Botschaft in Teheran daran doch zu arbeiten. Der Kulturreferent hat kritische iranische Schriftsteller eingeladen. Jetzt wirft ihm eine iranische Zeitung vor, er organisiere oppositionelle Kreise.

Es ist ehrenvoll, daß einige Leute so etwas machen. Ich begrüße das. Sogar zu Zeiten des Schah gab es deutsche Kontakte zu iranischen Schriftstellern. Warum soll es so etwas nicht heute geben. In der Schlußphase des SchahRegimes sind in der deutschen Botschaft sogar Lesungen gehalten worden. Auch heute sollte man mutig vorgehen und demokratische Ansätze im Iran unterstützen.

Im Zusammenhang mit dem Mordaufruf gegen Salman Rushdie haben deutsche Intellektuelle einen Kulturboykott gegen den Iran gefordert.

Ich bin dagegen. Im Gegenteil, deutsche Schriftsteller sollten versuchen, in den Iran zu reisen und dort zu lesen. Man könnte versuchen, dort Veranstaltungen mit deutschen und iranischen Schriftstellern zu veranstalten. Warum soll Walter Jens nicht in Teheran eine Lesung halten oder ein Referat über Pressefreiheit?

Der würde doch wahrscheinlich gar nicht ins Land gelassen.

Dann muß man das iranische Informationsministerium in die Offensive treiben. Solche Versuche bedeuten für mich „Kritischer Dialog“, nicht wenn sich Kinkel und Welajati hinter geschlossenen Türen treffen. Interview: Thomas Dreger

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