: Neues Auto küssen vor Ort
■ Mercedes legt Grundstein für Kundenzentrum / 35.000 Wagen sollen pro Jahr direkt ab Werk abgeholt werden
Wer sein Auto liebt – der holt es ab. Schließlich erwirbt man ja nicht alle Tage einen schnittigen Roadster wie den neuen Mercedes SLK oder eine solide Limousine mit dem Stern für Zigtausende von Mark. Und damit die Übernahme des neuen vierrädrigen Lieblings für die von weither angereiste Kundschaft auch feierlich ist und die Menschen gleich noch besichtigen können, wo ihr Gefährt geschaffen worden ist, baut Mercedes auf seinem Werksgelände am Holter Feld ein neues Kundenzentrum. Diese Maßnahme zur Bindung der Klientel läßt sich Mercedes 30 Millionen Mark kosten. Gestern legte Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz den Grundstein.
Sage und schreibe 35.000 Abholungen mit geschätzt 60.000 Menschen erwarten die Autobauer pro Jahr in Bremen. Kein Wunder, daß das auf Touristen erpichte Bremen angesichts solcher Zahlen große Chancen wittert, Menschen in die Stadt zu holen. 80 Mitarbeiter nehmen ab September 1997 die Kunden in Empfang. „Wir wollen die Leute an ihr Auto heranführen“, sagte Mercedes-Werkchef Dietrich Zeyfang.
Im Obergeschoß des vom Architekten Peter Hauer entworfenen Glasbaus finden die Autobesitzer über der großen Eingangshalle ein Restaurant und Ruheräume, um sich nach der Anreise ein wenig zu entspannen und sich auf den großen Moment vorzubereiten. Im Nordflügel laufen im Medienraum Filme über das Mercedes-Werk und die Produktion „ihres Autos“, eine kleine Ausstellung zeigt neue Lederkollektionen für die Sitze, Sonderausstattungen und besondere Lackierungsvorschläge, schon für die nächste Kaufentscheidung.
Am Tag vor der Übergabe haben fleißige Bienen hinter den Kulissen in der Vorbereitungshalle die blinkenden Neuwagen nochmal gewaschen, poliert, nochmal durchgecheckt und über Nacht im Parkhaus abgestellt. Der große Moment spielt sich dann in der rückwärtigen Übernahmehalle ab, die das Auto durch einen überdachten Gang erreicht. Die Planer haben an alles gedacht: Vor dem Eingang, umspielt von einer Wasserfläche, haben sie einen runden Foto-Platz eingerichtet. Hier kann sich der stolze Mercedes-Besitzer mit seiner neuen Karosse ablichten lassen.
Wer reist Hunderte von Kilometern, um sein Auto in Empfang zu nehmen? Mercedes-Werkchef Dietrich Zeyfang kennt Erfahrungen aus dem Werk Sindelfingen, wo seit Jahren die Neuwagen direkt an Kunden übergeben werden. Manche wollten die 300 Mark Überführungsgebühr zum Händler sparen. Andere verbinden den frohen Tag gleich noch mit einem Familienausflug, Geschäftsleute verbinden die Abholung mit einer Geschäftsreise. Wieder anderen ist es ein Herzensbedürfnis, zu sehen, wo und wie ihr Auto gebaut wird. Für die Händler ergeben sich laut Zeyfang keine Einbußen. Die Leute kaufen ihr Auto bei den Händlern, sie sollen auch weiterhin für den Service zuständig sein.
Wie kommen die Leute ohne Auto ins Holter Feld? Vom Flughafen werden sie mit Bussen abgeholt. Wer mit dem Zug kommt, dem bleiben Straßenbahn und zwei Kilometer Fußmarsch oder Taxi. jof
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