Weltschmerz im Zirkus

■ Rostocker „Compagnie de Comédie“ verhebt sich an Peter Weiss „Der Turm“

Da liegt ein metergroßer, roter Ball auf der Bühne und wird von vorn-oben stimmungsvoll angeleuchtet. Das Publikum auf den zwei Tribünen des Moks-Theaters sortiert sich noch, plaudert und tuschelt. Doch endlich wird der Ball weggeräumt, das Bühnenlicht für die Rostocker „Compagnie de Comédie“ geht an und Peter Weiss Schauspiel „Der Turm“ beginnt.

Eine Manege, Zirkusgestänge, Netze. Spot an für Pablo, den Ballakrobaten und Entfesselungskünstler, den die Vergangenheit gefangen hält. In einer Art von Selbsttherapie heuert er wieder beim Zirkus an, weil sich die Plagegeister nur abschütteln lassen, wenn man ihnen geradewegs ins Auge sieht. In einer von Vergangenheit und Echtzeit-Erlebnissen hin- und herblendenden Collage wird Pablo konfrontiert mit einem tyrannischen Direktorenpaar, mit seiner Geliebten und einem Nebenbuhler sowie weiterem bizarren Kollegium.

Peter Weiss postsurrealistische Parabel von der geschlossenen Zirkusgesellschaft des „Turms“ liest und zeigt sich in ihrer mehr ideologisch-psychischen als körperlichen Drastik heute seltsam deutlich als Abrechnung mit dem DDR-Sozialismus, obwohl sie schon 1948, also vor der Staatsgründung geschrieben wurde. Dies lastet grob auf der Inszenierung, weil sie sich klare Akzentsetzungen nicht zutraut. Durch Fernsehspielmusiken und Texte aus dem Off, durch Wortzerschmetterungen sowie vor allem durch Verlangsamungen versucht die „Compagnie de Comédie“ der metaphorischen Struktur des Dramas beizukommen, ohne sich jedoch freistrampeln zu können. Bis auf eine handfeste Rauferei von Pablo und der hochhackig-staksig beschuhten Dompteuse versäumt es die Rostocker Truppe, dem Metaphorischen durch Rückübersetzungen Leben einzuhauchen. Statt dessen wird jeder noch so nichtige Dialog mit Bedeutung beschwert. Wie in der Joghurt-Werbung tut sich deshalb schnell ein Loch im Boden auf, und zunächst plumpst der Hauptdarsteller, dem man Oberschüler-Weltschmerz, nicht aber existenzielle Leiden abkauft, hinein. Ihm zum Trost folgen die anderen wenig später. Am Schluß liegt der rote Ball wieder auf der Bühne, und es schallt dennoch reichlich Beifall durch's Theater.

Christoph Köster

„Der Turm“ heute um 20 Uhr im Moks