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Auf der Suche nach Biesdorf

Jenseits des Bundesliga-Merchandising: Über die seltsame Faszination des Sammelns von Fußballnadeln – „Tauschen vor Kaufen“ lautet Regel Nummer eins  ■ Von Hardy Grüne

Queldersbach (taz) – Die ersten reisen schon am Donnerstag an. Wulfdieter Fischer etwa, den alle nur Wulfi nennen. „Dann sind noch nicht so viele Leute da, und man kann bessere Schnäppchen machen“, erzählt er. Wulfi ist Schwabe, sammelt Anstecknadeln von Fußballvereinen und hat allerbeste Laune: Beim Jahrestreffen der „Interessengemeinschaft der Sammler von Fußball-Emblemen in Europa von 1973 e.V.“ ist er der richtige Mann am richtigen Ort.

Über 150 aus allen Ecken des Landes angereiste Sammler sind in das pfälzischen Dörfchen Queldersbach bei Kaiserslautern gekommen, um zwei Tage lang über buntbemalten Blechstückchen zu brüten.

Das Sammeln von Anstecknadeln erfreut sich derzeit zunehmender Beliebtheit. „Eine Zeitlang sah es so aus, als würde der Nachwuchs fehlen, doch das ist glücklicherweise nicht eingetreten“, sagt Rolf Conrad, der Ausrichter des Treffens. „Anstecknadelsammler gibt es in jedem Alter und auch in jeder Berufsschicht. Auf einem Sammlertreffen kommen Bäcker, Maurer, Zahnärzte und Versicherungsvertreter zusammen.“

Nicht nur das. Da trifft Hamburger Platt auf Kölsch, Berlinerisch auf Schwäbisch und natürlich reichlich Pfälzisch auf das Ausland. Das ist mit Sammlern aus den Beneluxländern, Tschechen, Polen, Schweizern und sogar einem Schweden vertreten.

Alle verbindet sie die Liebe zu den kleinen, bunten Blechstückchen. „Jedes Vereinsemblem ist nicht nur etwas Individuelles“, sagt Conrad, „sondern hat zudem einen Bezugspunkt im täglichen Leben. Im Gegensatz zu Briefmarken kann ich den Verein, dessen Emblem ich in meiner Sammlung habe, in Tabellen wiederfinden.“

Der Markt ist gewaltig. Allein in Deutschland gibt es über 25.000 Fußballvereine. Fast alle verfügen über Anstecknadeln. In Europa kommt man leicht auf mehrere hunderttausend verschiedene Embleme. Da ist es logisch, daß die Sammler sich spezialisieren müssen. Ein rüstiger Hamburger beispielsweise sammelt die Embleme der Klubs, „gegen die ich früher mal gespielt habe“, und ist gerade auf der Suche nach Unitas Hamburg. Neben ihm verhandelt ein Sachse in einer aufregenden Mischung aus Deutsch und Englisch mit einem Tschechen über eine Nadel des seit 50 Jahren nicht mehr bestehenden DFC Prag. Nach langem Hin und Her zieht der Sachse freudestrahlend mit dem gesuchten Stück von dannen.

„Tauschen vor Kaufen“, lautet Regel Nummer eins. „Die Embleme haben vor allem einen ideellen Wert“, erläutert Conrad, „deshalb wird auch nur in Ausnahmefällen verkauft. Außerdem wollen die Sammler mit den Nadeln kein Geld verdienen, sondern vor allem ihre eigene Sammlung vervollständigen.“

Nach der Vereinigung, als die DDR-Vereine neue Namen bekamen, wurde der Markt mit Fälschungen überschwemmt. Embleme von Vereinen, die nicht mehr existieren oder die keine anfertigen lassen wollen, hat Conrad bemerken müssen, „werden von windigen Geschäftemachern ungenehmigt produziert und verkauft“. Weil es vor allem für Anfänger schwer ist, Fälschungen zu erkennen, hat der Sammlerverein eine „Charta der Wertigkeit von Klubabzeichen“ verabschiedet, durch die Fälschungen erkannt und Fälscher isoliert werden sollen.

Vom massiven Merchandising der Bundesligisten bekommen die Nadelsammler wenig mit. „In der Regel sind Erst- und Zweitligisten uninteressant, es sei denn, sie verändern ihr Wappen“, meint Conrad und macht sich statt dessen auf die Suche nach Fortuna Biesdorf. Die sind neuerdings in der Berliner Verbandsliga und fehlen ihm noch.

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