piwik no script img

Phantome, Pest und Pietät

■ Kirche und Kino: eine Film- und Diskussionsreihe über Das Böse im Film

Die Perspektive verengt sich, ein düsteres Haus kommt ins Bild, das sich gegen den Fortschritt behauptet hat. Dort wohnt der Teufel, zunächst, in den Anfängen des Horrorfilms, in mehr oder weniger leibhaftiger Gestalt. Später, mit der Renaissance der Gruselbilder in den 70er Jahren, erschien der Antichrist in einer unscheinbaren Verkleidung. Nicht mehr drapiert mit den Insignien des konventionellen Horrors, nicht länger als sabbernder transsylvanischer Graf, der sich über schwanenweiße Hälse beugt, sondern als durchgeknallter Vietnamkriegs-Veteran, als dämonisch heimgesuchtes, ansonsten unschuldiges Kind, als Untote im Hippielook oder als abtrünnige Mutter im geblümten Hauskleid. Die satanischen Rituale des Bürgertums hinterließen einen intensiveren Schrecken als exotische Lokalitäten und wildmodellierte Masken. Je mehr die Ideologie des unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums ins Zwielicht geriet, je ausgeprägter das Bewußtsein über fortgeschrittene Umweltzerstörungen geriet, desto drastischer gewannen im Kino die dunklen Mächte die Oberhand und schickten ihren atavistischen Spuk als Rache an den Zumutungen der materiellen Welt aus. Auch im Kino der 90er hält das Mittelalter Einzug, mit religiösem Fanatismus, Seuchen und dem absolut Bösen, das von keiner Wissenschaft erklärt oder gar gebremst werden konnte. Mehr als jedes andere Medium vermag der Film den Hunger nach dem Übersinnlichen zu befriedigen, ist doch die Welt der Sinnestäuschungen, der fließenden Übergänge zwischen Wahrnehmung und Wahn sein Metier. Und mehr als jedes andere Buch hat die Bibel das Böse, als Drohgebärde eines wegen Anmaßung und Hochmut verbannten Engels, als apokalyptische Vision und als grausames Korrektiv wankelmütiger Glaubensgemeinden fest installiert. Wenn sich also die Evangelische und die Katholische Akademie Hamburg sowie St.Johannis-Harvestehude zusammen mit dem Abaton in einer Film- und Diskussionsreihe des Themas „Das Böse im Film“ annehmen, kann das eine spannende Angelegenheit werden, zumal die St.Johanniskirche zum Kinosaal für Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens (22.Nov, 20 Uhr), Das Cabinet des Dr.Caligari (23. Nov., 20 Uhr) und Sieben (23 Uhr)wird.

Birgit Glombitza M - Eine Stadt sucht einen Mörder: 25. Nov., 17.30 Uhr / Alien: 26. Nov., 22.30 Uhr / Pulp Fiction: 27. Nov., 22.30 Uhr / Dead Men Walking: 28. Nov., 20 Uhr / Der Totmacher: 5. Dez, 17.30 Uhr / Apoca-lypse Now: 9.Dez., 17.15 Uhr / Mutters Courage, 12. Dez., 18 Uhr/ Das Geld: 15. Dez., 11 Uhr, alle Abaton

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen