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■ VorschlagGegenentwurf zu Björk: Die Samin Mari Boine in der Passionskirche

Zugegeben, auf den ersten Blick könnte man sie für ein Mitglied der irischen Kelly Family halten. Ist sie natürlich nicht. Mari Boine ist Samin und dürfte als solche für das kuhäugige Kelly-Christentum recht wenig übrig haben.

Das Samiland, besser bekannt unter der politisch unkorrekten Bezeichnung Lappland, verteilt sich über die arktischen Gebiete Finnlands, Norwegens, Schwedens und Rußlands. Den christlichen Kolonisatoren, sie sich seit dem 16. Jahrhundert der Urbevölkerung Skandinaviens aufdrängten, galt das Rentierzüchtervolk und seine Naturreligion als „unzivilisiert“ und „barbarisch“. Ein Stigma, gegen das Mari Boine, die in einer christlich-pietistischen Sekte aufgezogen wurde, bald anzukämpfen lernte. Und nicht nur sie: Seit Beginn der achtziger Jahre hat, ausgelöst durch Proteste gegen ein Staudammprojekt, in ganz Skandinavien eine Rückbesinnung auf die samische Kultur eingesetzt, die sich auch in einem verstärkten Interesse an deren fast vergessener Musiktradition widerspiegelt.

Dafür stehen, neben Mari Boine, so unterschiedliche Namen wie das Trio Angelin Tytöt oder der Finne Nils Aslak Valkapäa, der 1994 das Titelstück zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele im norwegischen Lillehammer komponierte. Ihre Form der Artikulation ist der samische Joik-Gesang, der ursprünglich schamanistischen Ritualen entstammt. Mit dieser improvisiert-impulsiven Gesangstechnik wurden einst die Seelen der verstorbenen Vorfahren angerufen. Eine Praxis, die, weil verboten, in nichtreligiöser Form nur in den Weiten der skandinavischen Wälder überleben konnte.

Mari Boine sieht ihre Mission in einer modernen Interpretation samischen Musikerbes, und so gesellen sich Violinen, afrikanische Trommeln und peruanische Flöten zum Joik-Stakkato, werkelt sie mal mit Jan Garbarek oder Peter Gabriel. Doch bei alledem findet sie mit schlafwandlerischer Sicherheit zu ihrem Stil, der nie in Multikulti-Beliebigkeit versinkt, sondern musikalisch irgendwo zwischen Folkrock, nordamerikanischen Indianergesängen und Patti Smith anzusiedeln ist. Und in Sachen Intensität und Irrwischhaftigkeit wirkt Mari Boine gleichsam wie ein nativistischer Gegenentwurf zu Björk, der skandinavischen Schneekönigin. Daniel Bax

Heute abend, 20 Uhr, in der Passionskirche, Marheinekeplatz 1-2, Kreuzberg

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