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Sie kann auch anders

■ Humor „ausgerechnet aus Sachsen“: Dorit Gäbler schnulzt im BKA-Zelt

Ist sie wirklich echt? Da steht eine vielleicht fünfzigjährige Frau in weißen Stiefeln, die den Gürtel über der Bluse trägt. „Auch ich habe noch einen Koffer in Berlin“, erklärt sie. Dann greift sie zur Gitarre, schrammelt beherzt drauflos und singt von Sinnenlust und Einsamkeit. Am Abend nach der Premiere sind nur zehn Zuschauer gekommen, aber eine rechte Sächsin läßt sich dadurch nicht entmutigen. Dorit Gäbler tritt trotzdem auf. Und wer ihr eine Weile zugehört hat, wer ihr routiniertes, aber herzliches Lächeln gesehen hat, der weiß, daß sie es ernst meint. Dorit Gäbler ist goldecht.

„Man muß sich die Zeit für Sonnenaufgänge nehmen und den Mut, sie auszuleben“, rät sie dem Publikum. Dann setzt sie sich an die Rampe, kreuzt elegant die Beine und raunt: „Soviel Leidenschaft... Ich mußte dich kennenlernen!“ Musik schnulzt vom Band, und Frau Gäbler senkt sinnlich die Lider. Aber sie kann auch anders und hat jede Menge neckische alte Schlager im Repertoire. Ob „Fridolin, ich hab' nichts anzuziehn!“ oder „Ich bin beschwipst!“ – die Lieder verbinden angestaubte Frivolität mit außerordentlich solidem Humor. Ironie gibt es, wenn überhaupt, faustdick. „Ooch traurisch“ werde es jetzt, kündigt Dorit Gäbler etwa eine sächsische Loreley-Parodie an und schlägt höchst theatralisch die Hand aufs Herz. „Ausgerechnet aus Sachsen“, so der Titel des Programms, ist schlicht wie ein bunter Abend beim Betriebsfest, aber schließlich hat Dorit Gäbler in den Siebzigern ja auch „Ein Kessel Buntes“ im DDR-Fernsehen moderiert. Außerdem spielte sie in zahlreichen DEFA-Filmen mit, trat auf sächsischen Bühnen auf. Heute lebt sie in Dresden („eine Stadt mit einem ganz besonderen Ambiente“) und betreibt dort das Lokal „Linie6“, das auch ein besonderes Ambiente hat, nämlich wie eine Straßenbahn eingerichtet ist.

„Da wird Abend für Abend Kultur gemacht und auch dufte Disco“, erklärt Frau Gäbler den Hauptstädtern und gibt, diskret auf den Zehenspitzen schunkelnd, ein „Linie-6-Medley“ zum besten. Auf ihre Weise macht sie das alles ausgezeichnet, und so manche Anekdote der sympathischen Sächsin würde man gern ausführlicher hören, zum Beispiel, wie der sächsische Abend bei der FDP in Königswinter nun eigentlich war und ob Mischnick das mitgebrachte Gebäck geschmeckt hat. Daß sie bei ihm war, steht außer Zweifel, denn sie hat es selbst gesagt. Und Dorit Gäbler lügt nicht. Miriam Hoffmeyer

Bis 23.11., 20 Uhr, BKA-Zelt, An der Philharmonie

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