piwik no script img

Suche nach Sündenböcken

■ Union und Unternehmer im Clinch über Jobverluste

Es knirscht im konservativen Gefüge. Union und Industrie geraten sich zunehmend in die Haare, weil niemand die Verantwortung für steigende Arbeitslosenzahlen tragen will. Gemeinsam hatten sie erst vor wenigen Monaten versprochen, die Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 zu halbieren.

Die Union will sich nicht schuldig bekennen, weil sie nach 14 Regierungsjahren und dem Anti-Gewerkschafts- Kurs der vergangenen Monate darauf beharren muß, alles Erforderliche getan zu haben. Jetzt, so Christdemokrat Schäuble gestern, müßten die Unternehmen endlich auch Jobs anbieten. Aber die Konzerne denken gar nicht daran, sich schuldig zu bekennen. Das vergangene Jahr hätte zwar Fortschritte für die Unternehmen gebracht, erklärt zum Beispiel BDI-Chef Henkel, aber das sei nicht genug, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Differenz zwischen Union und Unternehmern läßt sich dabei nicht auf die Frage reduzieren, ob schon genug getan worden ist. Es geht um das Modell. Der Union kann man, bei aller Neigung zur Kapitalseite, unterstellen, daß sie den Konsens dieser Gesellschaft nicht verlassen will. Der Thatcherismus ist für sie vorläufig kein Modell. BDI- Chef Henkel und viele Unternehmer wollen ein anderes Modell. Ihr neues Credo lautet: Der deutsche Konsens hat vier Millionen Arbeitslose geschaffen. Gesellschaften, die stärker auf Konflikt setzen, sind erfolgreicher.

Sozialer Konsens gegen Manchester-Kapitalismus wäre die traditionelle Kurzformel für diesen Konflikt. Doch der Rückgriff auf alte Bilder und Symbole verkleistert die eigentlichen Fragen. Wie kann diese Gesellschaft beweglicher und zugleich sozialer werden? Was macht den Erfolg von US- Firmen wie Microsoft und Netscape möglich? Das Fehlen einer 100prozentigen Lohnfortzahlung?

Auf diese Fragen bieten die Manager in Deutschlands Großindustrie, die so viele Entwicklungen verschlafen haben, keine Antwort. Und auf diese Frage hat auch die Union keine Antwort mehr.

Erfolg ist eben weder eine Frage der Umverteilung noch des Konsenses. Wirtschaftlicher Erfolg ist eine Frage neuer Ideen. Den Rahmen dafür haben die Konservativen in den vergangenen Jahren nicht geschaffen – nicht einmal gesucht. Hermann-Josef Tenhagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen