Der die Kulissen macht

■ Filmarchitekt, Fotograf und Bildträger: Der Hamburger Albrecht Becker wurde neunzig

Albrecht Becker ist Künstler und Kunstwerk zugleich. Er lächelt, setzt sich mit Hut und Halsschleife in Szene und montiert sein Bild so oft in ein Landschaftsfoto, daß aus dem Bilderrahmen Vierlinge in die Wohnung zu blicken scheinen. Die meisten Tätowierungen, die seinen ganzen Körper bedecken, hat der Filmarchitekt selbst gemacht, und für seinen neunzigsten Geburtstag am 14. November verschickte Becker 100 verschiedene Einladungskarten – alle selbst entworfen.

In seinem Haus in Meiendorf hat Becker eine Kulisse geschaffen, in der er sich wohlfühlt – nachdem er von 1947 bis 1988 Kulissen und Studioausstattungen für Film- und Fernsehproduktionen von Studio Hamburg entwickelt hat. Wo keine Bücherregale stehen, hängen Fotos und Bilder an den Wänden, von Becker und von seinem Freund Herbert Kirchhoff, mit dem er vierzig Jahre zusammengelebt hat.

Kirchhoff war Bühnenbildner, und der Bäckersohn Albrecht Becker wurde sein Assistent. „Kirchhoff war der Star, ich der geborene zweite Mann“, erzählt Becker. Gemeinsam bekamen sie zwei Bundesfilmpreise: 1956 für die Kulissen im Hauptmann von Köpenick und 1960 für Ein Glas Wasser mit Gustav Gründgens. Das war, nachdem die Nazis Becker in Würzburg ins Gefängnis sperrten, weil er zugab, schwul zu sein. Das war auch, nachdem er im Zweiten Weltkrieg als Funker nach Rußland ging – freiwillig, denn „in Würzburg gab es keine Männer mehr. Das war mir zu langweilig.“

In Rußland lernte Becker das Tätowieren. „Da waren ein paar Soldaten aus Wien. Die haben gesagt: Da nimmst du einen Bleistift, holst die Mine raus und steckst statt dessen dünne Nadeln rein. Die umwickelst du mit Faden und tunkst sie in schwarze Tusche.“ Mittlerweile ist Becker von Hals bis Fuß verziert, hauptsächlich mit feinstrichigen japanischen Zeichen. Bei Kulissen ist sein Geschmack pompöser. Der Film Die schöne Lügnerin mit Romy Schneider, schwärmt er, „das war eine üppige, teure Deko.“ Oder Das Glas Wasser mit seiner englischen Rokoko-Kulisse – auch eine von Beckers Lieblingsproduktionen. Allzu oft mußte der Kulissenbauer nach dem Zweiten Weltkrieg sparen und improvisieren. In der Fahrzeughalle einer Rahlstedter Kaserne baute er ein Luxusrestaurant nach – und entdeckte die Komik der Notlage: „Das war wirklich lustig, diesen Gegensatz zu sehen.“

Als Kirchhoff 1988 starb, war das für Becker „der traurigste Tag in meinem Leben“. Trotzdem: Er konzentrierte sich auf das, was ihm immer Kraft gegeben hat: seine Kreativität. Zwei Filme pro Woche verknipst Becker, und er berät die Musikalische Jugend Weikersheim bei ihren Aufführungen. „Die sagen, ich sei ihr Guter Geist“, lächelt der Filmarchitekt und zupft an seiner Halsschleife. Judith Weber

Albrecht Beckers Biographie „Fotos sind mein Leben“ ist beim Verlag Rosa Winkel erschienen