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■ VorschlagVon Lacan und Landeiern – Beck und Cornershop im Loft

Im Namen des Opas, des Enkels und der heiligen Kuh: Beck kam mal wieder mit seinem japanischen Aufnahmegerät nicht klar und stöhnte: „I'm a loser, baby – so why don't you kill me?“ Das ist die ganze Geschichte, der Rest ist Popgeschichte. Den Trick, bereits klassifiziertes Material als Sekundärrohstoff radikal zu recyceln, hat sich der sympathische Proto-Slacker bei seinem fluxusbewegten Großvater Al Hansen abgeschaut. Patchwork, Bricolage, gar De- und Rekonstruktion – nenn es, wie du willst, aber vergiß nie, was unter den Bildern des nicht minder fluxistischen Arthur Koepcke stand: „fortsetzen!“ und „Fill with Your own Imagination“.

So ließ es sich Beck nach dem Erfolg des Major-Albums „Mellow Gold“ nicht nehmen, weiterhin auf Tonträger gebrachte Seltsamkeiten wie „Stereopathetic Soulmanure“ herausbringen zu dürfen. Allein das Inlet gab Anlaß zu wüsten Spekulationen. Hat Beck, der (wie die Mitmusikanten) auf den Namen des Vaters verzichtet, Lacan gelesen und ihn mit oder gegen Zizek rezipiert? Und wenn ja, hat er gar bei der Produktion dieser Platte als Kommentar zu „Mellow Gold“ bereits die Foucaultsche Kritik an der Institution Kommentar ausgependelt? Gewißheit bleibt da nur, daß er den Folk vor der Folklore rettet, den Landeiern ihren Country aus dem Cowboyhut zieht und dazu noch den Blues wieder auf die Tagesordnung setzt. Netterweise verzichtet er bei seiner auf „Odelay“ fortgesetzten Entdeckungsreise durchs weite Feld der populären Musik auf alle Allüren des über den Lo-Fi-Umweg wiedergeborenen Rockertums. Dazu trägt nicht nur die gewagte Zusammenstellung disparatester Samples und Stile bei, auch sein durchgängig abstruser Humor ermöglichen Beck – der seinen Namen bekommen haben soll, als seine Mutter nach der Geburt bei der Hebamme ein Bier gleichen Namens orderte – die allerschönsten Umwege und Obskuritäten.

Aber die Wimps werden heute abend nicht unter sich bleiben, denn Cornershop sind die Jungs von der anderen Seite der Theke. Und während sich die neopsychedelischen Britpopper von Kula Shaker um Tattva und ähnliches kümmern, schlagen Tjinder Singh und Kollegen zurück. Bedenkenlos verzichten sie auf ihr Stück vom Kuchen und übernehmen gleich die ganze verdammte Bäckerei: Indierock, Protestpop und Oldschool-Punk können auch anders! Daß die Sitar eigentlich ein Rock-'n'-Roll-Instrument ist, überrascht zwar – aber bis zum grandiosen Gig von Audioweb hätte man auch kaum geglaubt, daß dem Gitarrengedröhne aus Manchester eigentlich nur ein Stück Ragga zum großen Glück fehlt. Gunnar Lützow

Beck und Cornershop heute, 21 Uhr, im Loft, Nollendorfplatz

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