Hunderttausend für Radio 101

■ Die größte Demonstration seit der Unabhängigkeit Kroatiens zeigt ersten Erfolg. Radio 101 bleibt auf Sendung

Zagreb (AP/taz) – Mehr als 100.000 Menschen haben am Donnerstag abend in Zagreb gegen die Einschränkung der Pressefreiheit demonstriert. Auslöser der größten Demonstration seit der Unabhängigkeitserklärung im Juni 1991 war der Entzug der Lizenz für den unabhängigen Privatsender Radio 101. Diese Entscheidung der Regierung vom Mittwoch wurde nach den massiven Protesten im In- und Ausland teilweise wieder zurückgenommen.

„Dies soll der erste Schritt auf einem neuen Weg für Kroatien werden“, rief der Vorsitzende der Sozialliberalen Partei, Vlado Gotovac, der Menschenmenge auf dem Jelacić-Platz in der Innenstadt Zagrebs zu. „Wir verlangen nicht nur Freiheit für Radio 101, sondern für alle Radio- und Fernsehsender, für alle kroatischen Bürger!“ Zu der Demonstration hatten das kroatische Helsinki-Komitee und die Vereinigung der Zagreber Studenten aufgerufen. Bereits am Mittwoch war es nach der Verfügung gegen Radio 101 zu spontanten Protestdemonstrationen gekommen. Rund 6.000 Jugendliche fanden sich zu einer friedlichen Demonstration zusammen.

Der staatliche Rundfunkrat teilte daraufhin am Donnerstag abend mit, Radio 101 könne vorerst weiter auf Sendung bleiben. In einer von der amtlichen Nachrichtenagentur HINA verbreiteten Erklärung wurde zugleich eine Neuausschreibung für die von Radio 101 belegte Sendefrequenz angekündigt. Der Lizenzentzug war damit begründet worden, daß Radio 101 nicht objektiv genug und zu sehr politisiert sei. Außerdem wurden finanzielle Unregelmäßigkeiten angegeben. Zudem hieß es, daß die Frequenz, auf der Radio 101 seit zwölf Jahren sende, einem Rundfunkprojekt der Regierungspartei HDZ zugeteilt werde, das bislang freilich nur auf auf dem Papier existiert.

Radio 101 ist mit seinem kritischen und jugendorientierten Programm, vor allem aber wegen der westlichen Musikfarbe, der meistgehörte Sender in der eine Million Einwohner zählenden Hauptstadt Zagreb. Kroatien war Anfang des Monats erst mit mehrmonatiger Verzögerung in den Europarat aufgenommen worden, nachdem mehrere Mitgliedsstaaten Bedenken wegen mangelnder Pressefreiheit erhoben hatten.