: Sucht und Ordnung Von Mathias Bröckers
Der Plan der Kieler Landesregierung, in einem Modellversuch Cannabis über Apotheken abzugeben, um so eine Trennung dieses Markts von harten Drogen zu erreichen, hat die Prohibitionseiferer in Deutschland aus dem Häuschen gebracht. Das Kieler Experiment war von den Ländergesundheitsministern beschlossen worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht 1994 die Unrechtmäßigkeit des herrschenden Nord-Süd-Gefälles des Cannabisverbots getadelt und neue Wege bei der Trennung von harten und weichen Drogen angeregt hatte. Doch die Drogenkrieger der Bundesregierung pfeifen ganz einfach auf die Verfassungsmäßigkeit ihrer Politik und fuhren gegen den Modellversuch schwerstes Geschütz auf: Damit sei man „auf dem Marsch in die berauschte Republik“, betreibe „unverantwortliche Verharmlosung“ und entwürdige den „Staat zum Dealer“ und nicht zuletzt die Apotheken, die schließlich „Orte des Gesundheitswesens und keine Drogenverkaufsstellen“ (CDU- General Hintze) seien. Zwar ist es genau umgekehrt: Apotheken verkaufen ausschließlich Drogen (lt. „Kluges Etymologisches Wörterbuch“ entlehnt aus dem im 14. Jahrhundert frz. auftretenden „drogue“: „chemisches Material“), und viele davon dienen weniger dem hehren Gesundheitswesen als vielmehr der krankmachenden Profitsucht, doch in der fundamentalistischen Propagandaschlacht des Drogenkrieges kommt es nicht auf Fakten an, sondern auf Metaphern: „Apotheke = Gesundheit = Gut“ und „Drogen = Rauschgift = Böse“. Nur dank dieser dumpfen Klischees kann das System von Sucht und Ordnung aufrechterhalten werden: hier Milliarden an Alkohol-, Tabak- und Pharmaprofiten, da Drogen, Süchtige und Mafia; hier Bierwerbung, da „keine Macht den Drogen“-Spot. Ja, wenn ich mit Alkohol schon die Pest im Hause habe, hol' ich mir mit Hasch doch nicht auch noch die Cholera, so munkelte Kohls Seuchenexperte, der Drogenbeauftragte Lintner (CSU), und man darf sich einmal mehr fragen, ob der Sündenbock Cholera nur dazu dient, weiter ungestört die Pest zu promovieren. Oder ist es Zufall, daß zu den Topsponsoren des Drogenkriegs in den USA regelmäßig die Brauereien zählen? Hinter den Kulissen in Deutschland geht es ähnlich feuchtfröhlich zu: Die vom Verfassungsgericht 1994 angemahnte Vereinheitlichung der straffreien Cannabismindestmenge wird von den Provinzfürsten im Kuhhandel mit der Senkung der Promillegrenze beim Alkohol gedealt – bleibt es, wie CDU/CSU wünschen, bei legalen 0,8 Promille im Straßenverkehr, will auch Bayern eine legale Mindestmenge von zehn Gramm Cannabis akzeptieren. Eingekauft werden soll aber weiter auf dem Schwarzmarkt, wo es Heroin, Crack und anderen Dreck gibt, den Sondermüll des pharmazeutischen Fortschritts. Wirf alle Drogen in einen Topf, deklariere sie als „Reich des Bösen“ und führe einen Heiligen Krieg dagegen; auf diese Weise produziert der Drogenkrieg die Opfer, die er zu retten vorgibt. In Sachen Cannabis etwa über 50.000 Strafanzeigen per anno. Und weswegen? Die vermutlich älteste Pfeife der Welt wurde unlängst bei Bad Abbach entdeckt: Schon 2.000 Jahre vor Kolumbus, dem Reinheitsgebot und der ersten Apotheke wurde in Bayern geraucht. Hanf natürlich.
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