■ Medienschau: Über das Schweigen in deutschen Medien
In den letzten zwei Wochen wurden die Schlagzeilen und die Kolumnen der in Frankfurt erscheinenden türkischen Tageszeitungen von einem Thema beherrscht. Es ging um den von der Polizei in Fürth/Odenwald bei einer Verkehrskontrolle erschossenen Türken Baki Yaradan. Der Bonner Kolumnist der national-liberalen Tageszeitung Hürriyet (Frankfurt) schreibt dazu: „Die Wochenzeitung Die Zeit hat einen Artikel über die türkischen Medien in Deutschland veröffentlicht. Dieser Artikel trug die Unterschrift der Journalistin Cornelia Uebel. Frau Uebel wirft den türkischen Medien Propaganda- und Hetzjournalismus vor. Ihr eigener Artikel aber ist voller Vorurteile ... Frau Uebel, die wahrscheinlich über keinerlei Türkischkenntnisse verfügt und auch keine türkischen Journalisten kennt, verletzt in ihrem Artikel eine journalistische Grundregel. Sie hört sich nicht die Meinung der ,Gegenseite‘ an, über die sie schreibt. Leider gibt es in den deutschen Medien sehr viele Cornelia Uebels. Diese werden sich wie ferngelenkt sehr schnell einig, wenn es um die ,nationalen Interessen‘ [Deutschlands] geht. Tagelang werden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und deutsche Waffenlieferungen an die Türkei wiedergekäut. Andere Dinge werden übersehen, je nach den ökonomischen und politischen Interessen des Landes und den persönlichen Interessen der Journalisten. Während der Staatsbesuche in Ländern wie China werdenThemen wie Menschenrechtsverletzungen in den Nachrichten und Kolumnen (der deutschen Medien) nur oberflächlich und eher am Rande erwähnt. In diesem demokratischen Rechtsstaat [Deutschland] tritt auf der einen Seite der Innenminister zurück, weil ein GSG-9-Beamter ein Mitglied der RAF bei einer Festnahmeaktion erschossen hat. Auf der anderen Seite wird mitten in diesem Land ein unbewaffneter Türke von einem deutschen Polizisten getötet. Darüber hüllen sich deutsche Medien, Politiker und die Öffentlichkeit in Schweigen. Warum schweigen die deutschen Zeitungen, Radios und Fernsehsender über diese ,Lynchjustiz‘?“ ... 20.11. 96
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen