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SPD auf der Suche nach der Zukunft

Auf ihrem Sonderparteitag zum Thema Jugend geben sich einige SPD-Vorständler betont locker und jugendlich. Mancher Juso bemerkt gar einen Stimmungswandel: „Wir werden ernster genommen“  ■ Aus Köln Markus Franz

Ein Mann ohne Bart, auch als Rudolf Scharping bekannt, kickt einen Fußball mit beiden Hacken artistisch auf eine Bühne. Auf die Wände sind riesige Graffitis gesprüht mit Sprüchen wie „Keine Wellenreiter“ und „Contact to future“, auf einer Bühne tanzen junge Leute zu Techno-Klängen, stoßen Juchzer aus, eine 26jährige, Andrea Nahles, erntet Beifallsstürme und Stakkatoklatschen, als sie ausruft: „Wer nicht ausbildet, wird umgelegt.“ Junge Menschen benutzen ständig das Wort „konkret“. Es ist Parteitag der SPD in Köln. Jugendparteitag.

Gerade eben hat Parteichef Oskar Lafontaine gesprochen, mit derselben Redezeit wie vorher die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles. „Frischer, knackiger, konkreter“ wirkten die Reden als sonst, sagt eine Gruppe von Jusos aus Bayern. Aber was interessieren sie die Reden? „Worauf es ankommt, ist, was entschieden wird“, sagt Antje Trosien. „Das A und O ist, daß wir die Ausbildungsplatzabgabe beschließen“, ergänzt Kollegin Claudia Tausend. Ob das mehr Ausbildungsplätze schafft, wissen sie auch nicht. Aber das überhaupt etwas entschieden wird, daß die SPD konkrete Vorschläge macht, das ist ihnen wichtig. Solarer Umbau, Ökosteuerreform, Bildungsoffensive, einkommensunabhängiges Bafög, lauten ihre Schlagworte. Im Leitantrag der SPD seien diese Punkte eher am Rande behandelt und „Wischiwaschi“ formuliert. Der eigene Antrag der Jusos sei dagegen viel konkreter. Wenig später wird er abgelehnt. „Wir wollen keine nette „Werbekampagne“, sagt Christian Wölfel, „wir wollen was bewirken.“

Dennoch spüren die bayerischen Jusos ihre Partei seit einiger Zeit im Aufwind. „In letzter Zeit können wir richtig was machen, werden ernster genommen, fast gehätschelt“, sagen sie übereinstimmend. Ausschlaggebend sei die Jugendinitiative der SPD, die Generalsekretär Franz Müntefering ins Leben gerufen hat. Christopher Wolf erzählt, daß die bayerischen Delegierten einstimmig beschlossen haben, auf dem Parteitag nicht dem Leitantrag, sondern dem Juso-Antrag zuzustimmen. „Eigentlich sind wir es gewöhnt, daß alle Anträge der Jusos abgebügelt werden“, sagt Mario Patuzzi.

Sie sind stolz darauf, wie sie es geschafft haben, ihre Delegierten teilweise umzustimmen. „Wir haben das gut vorbereitet. Schon seit einem Jahr. Es gab vor allem ältere Delegierte, die die Problemlagen gar nicht gekannt und nicht einmal die Anträge gelesen haben“, erzählen sie. Als Erfolg verbuchen sie, daß neben den 50 Delegierten, darunter 10 Jusos, weitere 32 Jusos auf Kosten des Bundesvorstandes mitreisen durften. „Das wäre früher völlig undenkbar gewesen“, sagt Antje Trosien. Sonst habe es immer Zugangsbeschränkungen gegeben. Auch Lafontaine wird gelobt. Seit er Parteivorsitzender ist, sei mehr „Schwung in der Partei“. Einige beklagen, daß Fraktionschef Rudolf Scharping Vorsitzender der Antragskommission ist. Er steht für sie für die alte Zeit, für den, wie sie sagen, „schlechtesten Zustand der SPD überhaupt“. Designstudent Guy Papstein von der Hochschule für Künste in Köln, einer der Sprayer im Auftrage der SPD, ist von der Idee des Jugendparteitages begeistert. Der parteilose 25jährige lobt, daß er keine Vorgaben erhalten habe. „Es sollte einfach nur um die Vielfältigkeit der Jugend gehen.“ Die SPD-Politiker, allen voran Franz Müntefering, seien sehr locker gewesen. Ganz anders als die Betonköpfe in den Vorstandsetagen, für die er sonst Werbung macht. Dennoch, so Guy Papstein, merke man den Mangel an gestalterischem Gefühl und an Ideen. Für ihn ein Ansporn: „Ich habe glatt Lust, in die Partei zu gehen.“

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