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Bausenator im Flächenfieber

■ Bernt Schulte (CDU) will Wohnungsbau in der Osterholzer Feldmark / SPD: „Desaströs“

„Sie werden sehen, die Menschen in Osterholz sind morgen früh auf den Barrikaden“, so kommentierte gestern der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Weber den Vorstoß des Bausenators Bernt Schulte (CDU). „Das alles ist desaströs und unverständlich“. Schulte war gestern vor die Presse getreten und hatte die Osterholzer Feldmark als Entwicklungsbereich für privaten Wohnungsbau und Grünfläche inklusive Kleingärten erklärt. Schon Ende '98 könne dort der erste Spatenstich für anvisierte 2.000 Wohneinheiten getan sein. Bausenator Schulte euphorisch: „Die Große Koalition präsentiert sich entscheidungsfähig.“

Bernt Schulte bezog sich damit auf die vorausgegangene Frühstücksrunde des Senats, in der die SenatorInnen die Flächenplanung des Bausenators „stumm abgenickt“ hätten. Allen voran Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD), so Schulte. Deren Sprecher Holger Bruns-Kösters beschrieb den „Konsens“ jedoch hinterher etwas anders: Laut Koalitionsvertrag ist im Raum Brokhuchting in den Überschwemmungswiesen ein größeres Wohngebiet geplant. Da ein Gutachten jedoch bereits erbracht hat, daß dies einerseits zu teuer und andererseits ökologisch nicht vertretbar (Vogelschutz) sei, ließ sich die Umweltsenatorin darauf ein, die Fläche Osterholzer Feldmark als Ersatz für Brokhuchting zu tauschen. In vergleichbarer Größenordnung (400 bis 700 Ein- und Zweifamilienhäuser auf einer Fläche von 37 Hektar) und unter der Bedingung, daß Brokhuchting Naturschutzgebiet werde.

Beides stellte Kollege Schulte kurze Zeit später leicht abgeändert dar: Aus 700 Wohneinheiten waren 2.000 geworden, 200 Hektar sollen dafür in der Feldmark in Anspruch genommen werden. Und: „Wir halten fest am Wohnungsbaugebiet Brokhuchting“, so der Bausenator.

Nur könne anders als dort in der Osterholzer Feldmark vom Fleck weg mit der Erschließung begonnen werden, sagte Schulte weiter. Die Nachfrage von Bauwilligen sei groß, Grundstückskostenzuschüsse in Höhe von jeweils 10.000 Mark stünden noch zur Verfügung, auch eine verkehrspolitische Erschließung im Bremer Osten hätte gute Chancen („Ich bin ja auch für Stadtentwicklung zuständig“) – und endlich wage man sich einmal an das „Tabuthema“ Feldmark.

Anfang der Neunziger bereits hatte es ein Gerangel um das Ackergelände neben den Hochhausbauten von Osterholz-Tenever, dem Weserpark, Daimler Benz und Atlas Elektronik gegeben. Bau- und Wirtschaftsressort wollten schon damals Wohnungs-, aber auch Gewerbeflächen auf dem Areal zwischen Osterholzer Heerstraße, der Eisenbahnlinie Bremen-Hannover und Ehlersdamm. Der sandige Geestrücken sei ökologisch nicht bedeutsam, hieß es. Ein Verein zum Erhalt der Feldmark formierte sich, war erfolgreich. Auch die Verlängerung der Straßenbahnlinie 2 nach Tenever war später wieder vom Tisch.

Letztere würde der Bausenator mit seinen Plänen jetzt gern reaktivieren, ja sie sei Bedingung für sein Vorhaben. Solches bringt SPD-Chef Weber erneut in Rage: „Wir denken anderswo über ein Kindergarten-Leasing nach und Herr Schulte plant einen neuen Stadtteil in der Größe von der Gartenstadt Vahr.“ Anfang Dezember bereits will Senator Schulte eine entsprechende Deputationsvorlage (unter Beteiligung der Beiräte) fertig haben. Die CDU-Fraktion stärkt ihm dabei den Rücken. Die Grünen sprechen vom „Flächenrausch“. sip

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