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Janz Berlin is... Von Susanne Fischer

Aus allerhand Gründen, die sie selbst am allerbesten wissen, nenne ich meine Berliner Gastgeber heute einmal Doris Ratibor und Klaus Kringel. Ächzend rauschte ich Sonnabend nachmittag um fünf aus der Provinz bei ihnen an und störte die beiden Bonvivants bei ihrem verdienten Großstädter-Frühstück. „Möchtest du vielleicht auch etwas?“, näselte Kringel mondän und hielt mir einen Eierbecher mit einem Überraschungsei hin. Dankbar nahm ich an, doch der Hausherr wurde blaß um die Nase, und Ratibor tätschelte beruhigend seine Hand: „Du mußt ihm das Spielzeug versprechen“, raunte sie mir zu. Kringel erlitt inzwischen vor Ungewißheit einen Schweißausbruch, bis er endlich sein kleines Plastikauto bekam und es über den Frühstückstisch schurren konnte. Eigentlich war ich in die Hauptstadt gereist, um etwas Knorkes zu erleben, aber die beiden waren nicht von der Tafel wegzubringen. „Ich bin ein menschliches Thermometer“, säuselte La Ratibor, streckte eines ihrer urbanen, zwei Meter langen Beine aus ihrem todschicken Bademantel heraus und stieß mit der Fußspitze das Fenster auf, ohne sich dabei den witwenschwarzen Metropolennagellack abzustoßen. Sie schwenkte ihre Zehen elegant durch die allzu frische Luft und entschied knapp: „Ein Grad über null. Ohne mich!“

Tatsächlich, ich wage es kaum zuzugeben vor lauter Ländler- Scham, wirkte Berlin nicht sehr einladend. Dennoch gab ich mich allein den städtischen Vergnügungen hin: Ich fuhr mit dem Bus in die falsche Richtung, nachdem ich einen falschen Fahrschein gekauft hatte, erfreute bald darauf die Eingeborenen mit Fragen nach dem „Pudding“ und gewann sogar einen Freund, als ich einen Zigarettenladen betrat. Dort verlangte ich ein Päckchen Zigaretten sowie nach kurzer Besinnungspause auch eine Schachtel Streichhölzer. „Aber roochen könn' Se dann alleene, wa?“ grunzte das Verkäufer hinter dem Tresen hervor. „Herzlichen Glückwunsch, Sie sind soeben zum Berliner des Jahres gekürt worden!“ konterte ich munter. „Wa?“ antwortete es, weshalb ich überlegen mußte, ob es auch den Wanderpokal für originelle Rückfragen verdient hätte.

Nachdem ich verschiedene Lokalitäten getestet hatte, kehrte ich nachts um drei zurück in die Höhle der Ratibor. Das saubere Gastgeberpärchen hatte sich keinen Millimeter bewegt, war aber dennoch inzwischen beim Schokoladenwedding angekommen. „Möchtest du meine Überraschungsei-Spielzeugsammlung sehen?“ forschte Fräulein Ratibor, während sie mein cocktailgerötetes Gesicht nach Spuren von Begeisterung absuchte. „Möchtest du ein Bier?“ fragte der realitätstüchtigere Herr Kringel. „Möchtet ihr noch auf einen Schluck vor die Tür?“ fragte meine provinzielle Person. Da konnten sie natürlich nicht ja sagen. „Wenn du nächstes Mal kommst, gehen wir in einen hübschen Trickfilm“, tröstete mich die weltgewandte Ratibor noch, ehe ich auf mein großstädtisches Gastlager sackte.

Unnötig zu betonen, daß ich am Sonntag morgen um zehn die beiden Lebenskünstler vergeblich am Frühstückstisch suchte. Ich trank hart abgebrühten Stadt-Kaffee und flüsterte mir selbst zu: „Janz Berlin is ein Überraschungsei. Morgen gewinne ich die Medaille für doofe Metaphern.“

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