: Verformter Performer in Höchstform
■ Bei Epizoo können Zuschauer den Künstler per Mausklick manipulieren
Wie weit kann man gehen, wenn es gilt, einen anderen Menschen per Mausklick zu beeinflussen? Cybersex im Datenanzug oder interaktiver Smalltalk sollten dem Partner am anderen Ende der Computerleitung einigermaßen positive Empfindungen verschaffen können oder ihm wenigstens nicht weh tun, soviel ist klar. Bei der Performance Epizoo hingegen dürfen die Zuschauer den Künstler computeranimiert manipulieren und verzerren.
Das alles funktioniert aus sicherer Entfernung und ohne Berührungsängste fürchten zu müssen. Marcel.li Antunez steht auf einem drehbaren Podest, Körper und Gesicht sind gespickt mit Stäben und Kontakten. Pneumatisch gesteuerte Mechanismen sorgen dafür, daß sein Körper tut, was der Mausklick am Computer befiehlt. Auf dem Bildschirm wählt ein Zuschauer den Körperteil des Künstlers aus, den er verändern möchte: Die Nase vielleicht ein bißchen breiter? Den Mund verzogen, die Pobacken vibrierend? Kein Problem.
Wer sich die Ergebnisse seiner Manipulation nicht angucken will, blickt einfach nicht auf den Performer, sondern nur auf den Bildschirm. Hier sind Computeranimationen zu sehen, die für das unbeteiligte Publikum auf eine Leinwand hinter dem Künstler projiziert werden: Die Bilder zeigen Gesicht und Körper des Künstlers, von Computerprogrammen dermaßen verzerrt, daß Antunez eine reale Umsetzung dieser Ideen kaum unbeschadet überstehen würde.
Die isolierte Experimentierlust der Zuschauer wird durch die Stimme des Performers durchbrochen, der sich an Kameras und an ein Mikrofon angeschlossen hat und verbal auf die Veränderungen an seinem Körper reagiert. Dreimal läßt sich Antunez an einem Abend manipulieren, jeweils 25 Minuten lang. Dazwischen darf gefeiert werden, bei der Party Perform II, die Kampnagel gemeinsam mit Lounge Outdoor organisiert.
Marcel.li Antunez Roca gehört zu den Gründern der katalanischen Aktionstheatergruppe La Fura dels Baus, deren bizarres Gewalt-und- Schock-Theater vor einigen Jahren die Theaterszene aufwirbelte. Als Solokünstler interessiert sich Antunez vor allem für Fleisch: In seiner Ausstellung Ein Leben ohne Liebe zeigte er eine Sammlung in Formol eingelegter Schweineherzen und verfaßte dazu Liebesgedichte. Vor Epizoo schuf er Joan, einen interaktiven Roboter mit Schweinehaut, den seine Zuschauer per Stimme bewegen konnten. In Epizoo ersetzt der Künstler jetzt die Schweinehaut durch seine eigene.
Judith Weber
Sa, 30. November, 22/23/24 Uhr, Kampnagelk4; Party: 21.30 Uhr, foyer 4
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