: „Heute gebe ich einen Dreck auf den Boy's Club“
■ Dawn Steel war die mächtigste Frau Hollywoods – und fühlte sich klein wie eine Maus
Dawn Steel gehört zu den erfolgreichsten FilmproduzentInnen. Sie machte Filme wie „Flashdance“, „Fatale Begierde“, „Top Gun“ und „Harry and Sally“. Seit 1991 ist sie selbständig.
Frage: In Ihrem Buch über ihre Karriere schreiben Sie: „Ich war ausgezogen, es als Mann zu schaffen.“ Ist das der einzige Weg?
Dawn Steel: Heute nicht mehr. Früher habe ich mich mit Männern wohler gefühlt als mit Frauen. Ich habe so gearbeitet wie sie, und sie haben mich als ihresgleichen behandelt. Rückblickend war ich wahrscheinlich viel aggressiver, härter, schandmäuliger, als ich hätte sein müssen. Was soll's, es hat mich dahin gebracht, wo ich hinwollte.
Klingt so, als ob Sie es heute anders machen würden.
Ich gäbe heute einen Dreck darauf, im Boys' Club zu sein. Aber wahrscheinlich muß man mal drin gewesen sein, um das sagen zu können. Fast alle Männer, die in diesem Geschäft Macht haben, sind narzißtisch, nicht fürchterlich intelligent und unglaublich langweilig. Sie interessieren sich nur für ihre Arbeit. Nachdem ich erst mal kapiert hatte, daß ich viel smarter bin als sie, wollte ich nichts wie raus aus dem Club. Das hat auch viel mit der Geburt meiner Tochter zu tun. Als ich schwanger war, war ich todsicher, daß es ein Junge sein würde. Als ich erfuhr, daß es ein Mädchen wird, habe ich nur geheult. Und da wurde mir klar, daß ich mich trotz allem, was ich erreicht hatte, immer noch minderwertig fühlte als Frau.
Wie schafft man es nach oben, wenn man all die Männerrituale nicht mitmachen darf?
Ach, heute bin ich richtig froh, daß ich nie mitdurfte. Ich habe hinterher nämlich herausgefunden, daß die Jungs – Filmstars und Studiobosse – beim Wildwasserfahren nichts anderes getan haben, als rumzufurzen und vom Schlauchboot aus in den Fluß zu pinkeln. Na danke schön! Man muß sich entscheiden, wen man verführen will. Das meine ich ganz professionell: wen man beeindrucken, mit wem man Geschäfte machen, von wem man was lernen will. Ich wußte genau, wen ich wollte, welche Studiobosse, Agenten, Autoren, Schauspieler, und ich habe methodisch Kontakte aufgebaut. Man muß charmant sein, dann kriegt man sie rum. Dieses Geschäft basiert nur auf Persönlichkeit. Wer keine hat, gehört nicht hierher.
Gab es einen Augenblick, in dem Sie das Gefühl hatten, angekommen zu sein?
Ich war mal auf einer Party, alles lief gerade wunderbar mit meiner Karriere, es ging mir gut. Ich ging nach draußen, und Bob Daly kam mir entgegen, der Boß von Warner Brothers, mit ausgestreckter Hand. Ich dachte, toll, Daly erkennt mich, jetzt hab ich's wirklich geschafft. Da drückte er mir den Parkschein in die Hand und sagte: „Es ist ein weißer Mercedes.“
Schwer zu überbieten.
Von wegen. Es gab mal ein Jahr, wo ich einen wahnsinnigen Run hatte: Ich hatte geheiratet, war schwanger, ich hatte „Fatale Begierde“ und „Die Unbestechlichen“ gemacht. Und dann wurde ich gefeuert, während ich im Krankenhaus in den Wehen lag. Man hat nie wirklich das Gefühl, es geschafft zu haben, weil sie dir alles wieder wegnehmen können, was sie dir geben.
Warum fliegen Frauen so schnell aus dem Spiel raus?
Sie geben auf. Sie können die ständige Ablehnung nicht ertragen. Ich auch nicht, aber ich weiß nicht, wie es anders gehen könnte. Ich bin es leid, Frauen immer nur jammern zu hören, daß man sie nicht ranläßt. Wer sich selbst als Opfer sieht, wird auch von anderen so gesehen.
Was haben Sie eigentlich alles getan, um Ihren Titel „Bitch Number One“, boshaftes Weibsstück, zu verdienen?
O Gott. Noch schlimmer war für mich „Queen of Mean“, Königin der Gemeinheiten. Der Job bringt es mit sich, daß man oft nein sagen muß, und das macht einen nicht unbedingt beliebt. Natürlich gab es Situationen, in denen ich unnötig barsch war, dafür gibt es keine Entschuldigung. Aber meine männlichen Kollegen verlieren ständig die Beherrschung, und keiner regt sich darüber auf. Ich war mal in einer Besprechung, wo ein Mann mit dem Stuhl nach einem anderen warf, und niemand hat mit der Wimper gezuckt. Über mich wurden so viel gemeine Geschichten verbreitet, daß ich mich daran hätte gewöhnen müssen – habe ich nie geschafft ...
Wie war der Übergang vom großen Player zur kleinen Produzentin?
Hart. Aber ich haßte den Job mehr, als ich die Macht liebte. Ich wurde immer genervter, und darauf hatte ich keine Lust. Heute fühle ich mich so mächtig wie nie zuvor. Weil ich das Gefühl habe, daß ich erreichen kann, was ich will, und zwar zu meinen Konditionen. Und ich habe genug Geld, um alle Projekte anzuleiern, die mich interessieren.
In Ihrem Buch schreiben Sie, daß Sie zwar die mächtigste Frau Hollywoods waren, sich aber häufig ganz klein vorkamen.
Ich dachte immer: Was mache ich bloß, wenn sie rausfinden, daß ich eigentlich gar keinen Schimmer von dem habe, was ich hier tue. Inzwischen weiß ich, daß ich gut in meinem Job bin. Ich habe nicht mehr diese panische Angst, als Hochstaplerin überführt zu werden.
Es ist selten, wenn jemand in einer solchen Position von geringem Selbstwertgefühl redet.
Ich weiß. Niemand tut das. Aber Frauen müssen einander diese Geschichten erzählen, von Angst und Unsicherheit reden. Ich hatte manchmal nicht mal mehr die Energie, den Telefonhörer abzuheben. Interview:
Meike Winnemuth, Amica
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