: Rotgrün nicht um jeden Preis
Linkes Gegenpapier zum GAL-Wahlkampf wider Postengeilheit und Neoliberalismus: Auch Opposition kann erfolgreich sein ■ Von Silke Mertins
SPD-kompatibler Wahlkampf oder linksökologische Alternativen? Sozialpolitik oder Sparzwänge, Altenwerder oder Verzicht auf „Verhinderungsthemen“? Die Debatte um die Schwerpunkte für den Bürgerschaftswahlkampf im September 1997 scheint sich zum Duell zuzuspitzen.
Wenn GAL-Fraktionschef und Krista-Sager-Intimus Willfried Maier am 8. Dezember auf dem GAL-Parteitag (Mitgliederversammlung) die Wahlkampfthemen vorstellt, von denen er sich rotgrüne Verhandlungschancen verspricht, wird er einen linken Gegenspieler haben: Norbert Hackbusch. Der zur „ZAS“ (Zwischen allen Stühlen) zählende Bürgerschaftsabgeordnete hat nicht nur schriftlich formuliert, wie er sich den grünen Wahlkampf vorstellt, sondern will auch als Redner der Linken ans Mikro und damit Willfried Maier und Krista Sager entgegentreten.
„Eine Koalition mit der SPD kommt nur in Frage, wenn es sich für die Durchsetzung grüner Ziele lohnt“, schreibt Hackbusch in seinen „Bemerkungen zu den Bürgerschaftswahlen“. Ob sich das lohne, sei bei der „jahrzehntelangen SPD-Regierung“ in Hamburg besonders zweifelhaft. Gerade weil die Grünen in den Ruf gekommen seien, „postengeil“ geworden zu sein, dürfe man Rotgrün nicht um jeden Preis fordern: „Denn auch Opposition kann erfolgreich sein.“
Hackbusch versteht sein Papier, das bereits in ZAS-Kreisen diskutiert wurde, nicht nur als Kritik am Maier-Konzept, sondern als Gegenentwurf. Seinen Schwerpunkt legt er dabei auf Sozialpolitik: soziale Projekte, autonome Frauenhäuser und stadtteilbezogene Einrichtungen müßten stärker als bisher mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.
Die Lebensbedingungen für Flüchtlinge – Unterbringung und Betreuung – will Hackbusch entscheidend verbessern. Für MigrantInnen sollte es bei grüner Mitgestaltung gezielte Existenzgründungsprogramme geben. Um die ungleichen Ausgangsbedingungen für Deutsche und Nichtdeutsche abzuschaffen – ausländische Gesellen- und Meisterbriefe werden meist nicht anerkannt – müsse man sich auch mit der Handwerkskammer anlegen.
Hackbusch sieht bei der Sozialpolitik ganz klar den Staat in der Pflicht. Anders als Maier, der eine „Gemeinwesenarbeit“ vorschlägt (eine deutsche Variante des derzeit besonders in den USA diskutierten „Kommunitarismus“), will Hackbusch nicht „den staatlichen Verantwortungsbereich herunterschrauben“. Er hält diese Verschiebung für eine „gefährliche Diskussion“.
Überhaupt gehöre der „öffentliche Raum liberal organisiert“: mehr Platz für Kinder, Freiräume, Spielstraßen und eine „Zurückdrängung des Gestanks“ der Autos. Daß es bettelnde Menschen und Drogenhandel gebe, müsse als Metropolen-Phänomen hingenommen werden. Altenwerder sei zudem keineswegs vom Tisch. „Gerade der drohende Hafenausbau, aber auch der nicht nachlassende Flächenfraß für Neuansiedlungen trifft auf unsere entschiedene Opposition.“
Um eine gerechtere Sozialpolitik zu finanzieren, setzt Hackbusch auf Abspecken im Verwaltungsapparat. Diese Einsparungen werden jedoch erst mittelfristig wirksam; Übergangslösungen müssen her. Da ab 1998 Haushaltslöcher nicht mehr mit Tafelsilber-Verkäufen zu stopfen sind – die Sahnestücke werden bereits verhökert sein – möchte Hackbusch städtische Betriebe verselbständigen.
Die dann nicht mehr öffentlichen, aber trotzdem noch städtischen Unternehmen könnten Kredite aufnehmen. Beispiel: der Pflegebereich. Auf diese Weise könne man sich Luft für die Haushaltskonsolidierung verschaffen, ohne „der neoliberalen Konkurrenzeuphorie“ auf dem Leim zu gehen.
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