Eine gute Idee allein reicht noch nicht

■ Existenzgründungen sind im Kommen. Doch trotz Förderprogrammen und Beratungen ist der Einstieg oft schwer

Etwa 10.000 potentielle Existenzgründer lassen sich jährlich allein bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Berlin beraten. Zahlreiche Beratungsstellen beim Senat, den Bezirken oder bei Banken geben allen Auskunft, die zukünftig ihr eigener Chef sein wollen. „Doch viele haben illusionäre Vorstellungen“, resümiert Manfred Sander, Leiter der Wirtschaftsförderung im Bezirksamt Köpenick. „Da wird übereilt herangegangen. Mit Ideen und Wünschen wenden sich die Existenzgründer an die Banken. Dort werden ihre Pläne dann gehörig zurechtgestutzt.“

Immerhin 5.600 meist Kleinbetriebe, schätzt IHK-Sprecher Erich Lange, werden trotzdem jährlich gegründet. „Aber erst nach fünf Jahren sind die neuen Gewerbetreibenden aus dem Gröbsten raus“, meint Lange. Dann aber seien nur noch 50 Prozent der Neueinsteiger auf dem Markt. So weit ist Anne Sommerfeld noch lange nicht. Erst im Oktober eröffnete die 36jährige ihren Kosmetikladen in Schmöckwitz, einem Zipfel im äußersten Südosten Berlins.

Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, machte die ehemalige Wirtschaftskraft einer Kindertagesstätte eine zweijährige Umschulung zur Kosmetikerin. Danach wurde sie ihre eigene Chefin. „Manche halten mich ja für verrückt, ausgerechnet hier einen Laden zu eröffnen“, erzählt die Neugründerin. Aber Sommerfeld sieht gerade in Schmöckwitz ihre Perspektive. „Hier kennen mich die Leute“, meint die Kosmetikerin. „Und wer sich die Füße pflegen läßt oder eine Rückenmassage benötigt, braucht Vertrauen zu dem Behandler.“ Außerdem gebe es weit und breit keine Konkurrenz, so daß sie auf ein ausreichendes Marktsegment hoffen könne.

Das freute auch die Wirtschaftsförderer im Bezirksamt Köpenick, bei denen sich Sommerfeld „wie in einer Familie aufgehoben“ fühlt. Sommerfeld sei ein typisches Beispiel für Kleingewerbetreibende, die durch Eröffnung eines eigenen Betriebs der Arbeitslosigkeit entgehen wollen, meint Wirtschaftsberater Sander. Der klassische Existenzgründer, der sich zum Geschäftsmann berufen fühle, sei eher die Ausnahme. „Jeder zweite, der sich von uns beraten läßt, will aber ein kleines Geschäft gründen“, weiß Sander. Dabei würden Handels- und Gastronomiebetriebe wegen hoher Marktrisiken nur äußerst ungern von den Banken gefördert.

Obwohl Sander den Trend zur selbständigen Arbeit für eine „gesellschaftliche Notwendigkeit“ hält, fällt es selbst ihm schwer, die tausend unterschiedlichen Förderquellen überschaubar zu machen. Einen kleinen Einblick gewährt der Leitfaden für Existenzgründer, den die Investitionsbank Berlin kostenlos auf Diskette zur Verfügung stellt. Er erklärt nicht nur wirtschaftliche Grundbegriffe wie cash-flow und break-even-point, sondern enthält auch eine Einführung in die verschiedenen Förderprogramme.

So werden etwa die in alten und neuen Bundesländern unterschiedlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Eigenkapitalhilfe aufgelistet. In Einzelfällen, weiß der Leitfaden, können bis zu zwei Millionen Mark als Kredit bereitgestellt werden. Die anfangs niedrig verzinslichen Gelder müssen erst nach zehn Jahren in Raten zurückgezahlt werden.

Auch ein Selbsttest ist Teil des Leitfadens für Existenzgründer, den die IBB kostenlos auf Diskette anbietet. Mit ihm können sich die Möchtegern-Chefs selbstkritisch in die Mangel nehmen. Die Familie könnte zu kurz kommen, die Gesundheit durch Dauerstreß gefährdet werden, warnt die IBB. Die Psyche könnte im Falle einer Pleite Schaden nehmen, Alters- und Krankenversorgung schwinden ebenso wie das vertraute Gespräch mit Kollegen. Und auch die soziale Isolierung der Unternehmer bleibt nicht unerwähnt.

„Die Meinung, ob der Unternehmer nun eher böser Kapitalist ist oder der Motor, der in unserer Wirtschaft und Gesellschaft die anderen mit vorantreibt, ist immer noch geteilt“, wissen die Berater der IBB. Und da „Unternehmern in Fernsehen und Massenmedien häufig die Rolle des Bösewichts zugeteilt“ werde, sollten sich Existenzgründer fragen, ob sie mit dem Negativimage leben könnten oder eher von der Gesellschaft geliebt werden wollten.

So muß sich, wer die Idee vom vermeintlich großen Geschäft in sich trägt, darauf gefaßt machen, daß ihm der Computer-Spiegel der IBB nur eine Antwort bereithält: „Sie sollten sich die Frage stellen, ob Sie wirklich Selbständigkeit anstreben wollen oder ob Sie als Angestellter nicht doch ein geeigneteres Umfeld vorfinden.“ Gereon Asmuth