"Der Junge nervt dermaßen!"

■ Muß Max weg? Lindenstraßen-Fan und taz-Leser Gerrit Wiebe meint: ja - und unterbreitete Produzent Geissendörfer mehrere Vorschläge, die wir hier dokumentieren. Nun soll der taz-TED entscheiden

Der Fall Julia von der Marwitz hat es bewiesen: Interaktives Fernsehen ist möglich. Man muß nur den Umweg über das Drehbuch der Lindenstraße nehmen. Nachdem erboste Zuschauer allerlei Schmähungen in die redaktionsinterne Mailbox gekübelt hatten, beugten sich die Autoren dem aufgebrachten Mob und sorgten dafür, daß die nervige Tierschützerin an Tollwut verendete. (Siehe taz- Nachruf vom 5. 10.)

„Das ist ja besser als der TED“, war die einhellige Meinung unter Lindenstraßen-Fans. Doch wenn es nach Produzent Hans Werner Geissendörfer geht, soll schon wieder Schluß sein mit der Mitbestimmung. Seit Jahren sträubt er sich, Gaby Zenkers nöligen Sohn Max aus der Sendung zu verbannen, dessen Nicht-Schauspiel selbst von kinderliebenden Menschen als Zumutung empfunden wird.

„Max muß weg“, fordert auch Lindenstraßen-Fan und taz-Leser Gerrit Wiebe, der Geissendörfer diesbezüglich schon mehrere konstruktive Vorschläge unterbreitet hat. Wir dokumentieren den Briefwechsel zwischen Gerrit und Geissendörfer, damit sich auch alle taz- Leser ein eigenes Urteil bilden können, ob Max weg soll und wenn ja, wie.

Aber lesen Sie nun, wie alles anfing:

„Hallo Ihr!

Vonwegen, daß nur Menschen mit Schauspielausbildung bei der Lindenstraße mitmachen dürfen. Was ist bitte mit Gabys Sohn Max (was weiß ich, wie der real heißt – ist mir auch soo egal!)? Der Junge nervt dermaßen! Wenn er immer nur die krampfig auswendig gelernten Texte herunterstottert, fängt mein Fernseher auch an zu stottern! Also weg mit ihm. Aber nicht schon wieder einen Autounfall, gab's zu viele in letzter Zeit. Wie wär's mit einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung – auch ziemlich aktuell!! Also, BSE für Max, und ich bin völlig zufrieden!

Euer Gerrit“

„Lieber Gerrit,

ziemlich roh Dein Gequassel. Machst Du das nur bei Serien so, daß Du die Kinder einfach mal vergiftest in Deiner Phantasie, oder hast Du's eh mit dem Plattmachen? Ernsthaft: Wie kannst Du denken, daß ein 10jähriger eine Profi-Ausbildung haben kann? Alle unsere Kinder und Jugendlichen bis etwa 16–18 sind natürlich keine ausgebildeten Schauspieler, weil es in unserem Land keine Schauspielausbildung für Kinder gibt. Höchstens ein bißchen Tanzausbildung und so. Drama kommt erst nach Schule etc. Leider. Max macht seine Sache schon ganz gut. Auch Du hast mal klein angefangen, wenn überhaupt.

Herzliche Grüße, Hans Werner Geissendörfer, Produzent“

„So, da bin ich wieder!

Da Max und Jakob Creutzfeldt nun ja bis jetzt noch nicht zusammengekommen sind, habe ich einen anderen Vorschlag, um Max loszuwerden! Dann müßte Andy auch nicht mehr über die Sprache seines Adoptivsohnes lästern (wie letzte Folge geschehen!), und ich und alle meinen Lindenstraßen- abhängigen Freunde ebenso nicht mehr.

Max hat jetzt wirklich lange Jahre Zeit gehabt, um Mimik und Ausdrucksfähigkeit zu erlernen. Bei manchen klappt's eben nicht. Ich habe einen Kompromiß anzubieten: Max dürfte sogar weiterhin in der Lindenstraße auftreten! Also, wie wär es denn mit einem autistischen Max? Nie wieder müßte er Mimik zeigen, nie wieder müßte er auch nur einen Satz von sich geben. Am besten sitzt er auf dem Sofa in der Küche und nervt so niemanden. Ist doch echt mal ein konstruktiver Vorschlag. Auch das schwierige Thema Autismus könnte so einmal uns vielen Fans nähergebracht werden.

Ich hoffe auf Zusage der Umsetzung – oder wenigstens auf eine konstruktive Antwort mit eventuellen Gegenvorschlägen!

Euer Gerrit aus Hamburg“

„Lieber Gerrit Wiebe,

Sie scheinen mir der Zyniker vom Dienst zu werden. Unser Max als Autist wäre eine Unmöglichkeit: a) würden Sie damit sämtliche echten Autisten übel verleumden und die Probleme dieser Mitmenschen verarschen, und b) ist unser Max gar nicht so unbegabt. Die Lindenstraße versteht es darüber hinaus auch als Markenzeichen, daß sie Darsteller beschäftigt, die eben nicht den Vorbildern aus Hollywood ähnlich sein müssen, sondern die so sind wie du und ich. Also den Vorbildern des Alltags eher entsprechen, als den glatten Schönheiten der total kommerzialisierten Welt der Film- und TV-Industrie. Daß man auch ohne diese Glätte ein ,Star‘ werden kann, haben fast alle unsere Menschen in der Lindenstraße bewiesen. Zynismus hin, Zynismus her, ... Es gibt viele Arten zu überleben.

Herzliche Grüße, Hans Werner Geissendörfer“

„Lieber Herr Geissendörfer!

Sie haben ja recht – mein Schicksal ist der Zynismus, aber eins will ich mir dann doch verbitten: Die Person ,Max‘ ist nun beileibe kein ,Mensch wie du und ich‘. Mit Verlaub: Sie kenne ich zu wenig, um mir eine Aussage zu erlauben, aber ich bin nicht so wie Max!!! Ich habe so gut wie keine Schauspielerfahrung ... obwohl man das von Max auch glauben könnte, ist dem ja wohl nicht so. – Sie haben allerdings recht: Mit einem Autisten Max würde man wohl wirklich die ,echten‘ Autisten beleidigen ... Also gut, kein BSE, kein Autismus ... Was dann? Tante Rosi kocht ein Zungenragout zu Huberts 1. Todestag aus der Zunge von ... lassen wir das, wir sind ja nicht bei Tarantino. Um mal etwas ganz Humanes vorzuschlagen: Er wird in ein Internat geschickt, da Iffi die Miete nicht mehr aufbringen konnte, mußte... (Hier wird der Brief etwas unleserlich. Anm. d. Red.) Also besser: Kurt kommt überraschend aus Afrika wieder und infiziert (welch' Zufall!) Max mit Malaria, dem Ebola-Virus, Montezumas Rache ... Was auch immer, was bei Rexrodt nicht klappte, kann bei einem kleinen ,unschuldigen‘ Kind doch durchaus tödlich sein.

Ich freue mich auf Antwort.

Euer Gerrit aus Hamburg“

„Lieber Herr Wiebe,

,Mensch wie du und ich‘ ist eine Redensart und keine direkte Aussage. Sie will darauf hinweisen, daß – in unserem Falle Max – im Grunde ein ganz normaler Typ ist. Ich wollte keineswegs Sie mit Max gleichsetzen oder auch nur vergleichen. Das wäre auch totaler Blödsinn, da Sie mit Ihren neuen Vorschlägen beweisen, daß Ihre Fantasie keineswegs ,unschuldig‘ ist. Verraten Sie mir mal bitte bei Gelegenheit, was Sie nun ernsthaft gegen ,Max‘ und/oder gegen den jugendlichen Darsteller haben. Ertragen Sie es denn trotz Zynismus nicht, daß jemand mal nicht so geleckt und perfekt ist, wie man das vielleicht gerne hätte?

Herzliche Grüße, Hans Werner Geissendörfer“