: Bonn hält an seiner umstrittenen Iran-Politik fest
■ Koalition lehnt Antrag der Opposition ab, die Beziehungen zum Iran an Bedingungen zu knüpfen. Urteil im Berliner Mykonos-Prozeß erst im Frühjahr?
Bonn/Berlin (AFP/dpa) – Die Opposition im Bundestag ist mit einem Vorstoß gegen die Iran-Politik der Bundesregierung gescheitert. Die Koalitionsmehrheit lehnte gestern einen Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD ab, in dem gefordert wurde, die deutschen Beziehungen zu Iran an Bedingungen zu knüpfen. Unter anderem wurde ein Beitrag des Irans zur Eindämmung des internationalen Terrorismus gefordert. Zuvor hatten sich die Spitzen von Union und FDP bemüht, eine Abstimmungsniederlage zur Iran-Politik wie im vergangenen Jahr zu verhindern. Die Koalition legte einen eigenen gemäßigten Antrag vor, in dem die Iran-Politik der Bundesregierung trotz aller Probleme unterstützt wird. Der Antrag wurde mit den Stimmen von Union und FDP verabschiedet, die SPD enthielt sich.
Wenige Stunden nach der Abstimmung bestätigte das Bundeskanzleramt den Eingang eines Schreibens des iranischen Staatspräsidenten Haschemi Rafsandschani. Details wurden nicht genannt. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hatte sich vor rund einer Woche schriftlich an die Teheraner Führung gewandt.
Unterdessen mehren sich die Anzeichen, daß das Urteil im Berliner Mykonos-Prozeß in weite Ferne rücken könnte. Grund sind neue Beweisanträge der Verteidigung von zwei der Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft erklärte gestern vor dem Kammergericht, ein Teil dieser Anträge grenze an Prozeßverschleppung. Aus rechtlichen Gründen könnte aber zumindest die Ladung von sieben weiteren Zeugen nicht abgelehnt werden. Das Berliner Kammergericht will am kommenden Donnerstag über den weiteren Fortgang des seit über drei Jahren laufenden Verfahrens entscheiden, das in den letzten Wochen die deutsch-iranischen Beziehungen schwer belastet hatte.
Nebenklägervertreter Wolfgang Wieland rechnet nun damit, daß erst gegen Ostern ein Urteil verkündet werden kann. Die Vernehmung der weiteren Zeugen war von der Verteidigung des beschuldigten Libanesen Atallah Ayad beantragt worden. Sie sollen die Glaubwürdigkeit eines Zeugen erschüttern, der aus Sicht der Bundesanwaltschaft Ayad belastet hatte. Die Anklage hatte für Ayad, der Teile des Tatplans mit ausgearbeitet haben soll, fünf Jahre Haft beantragt. In einer persönlichen Erklärung hatte zuvor der angebliche Drahtzieher des Anschlags vom September 1992, der Iraner Kazem Darabi, nochmals jede Schuld von sich gewiesen. Für Darabi hatte die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft gefordert. Falls das Gericht am kommenden Donnerstag erneut in die Beweisaufnahme eintritt, müßten alle Plädoyers – auch das der Bundesanwaltschaft – zumindest teilweise wiederholt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen