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Multiplikatoren der besonderen Art

■ Bereits zum 25. Mal fand das Schülerseminar der Unesco-Projektschulen statt. Schüler aus sieben Nationen diskutierten diesmal eine Woche über Menschenrechte

Ein reger Stimmenwirrwarr erfüllt den Seminarraum im Jagdschloß Glienicke. Von Tisch zu Tisch wuseln Jugendliche, diskutieren und bemalen Pappkartons mit Slogans wie „Krieg ist totale Verletzung des Menschenrechts“ oder „Niemand darf sich erlauben, Recht und Freiheit zu zerstören“.

Die 24 SchülerInnen aus Norwegen, Dänemark, Polen, Frankreich, Litauen, Bosnien-Herzegowina und Deutschland haben in den vergangenen sechs Tagen das Anwesen an der Havel in eine Begegnungsstätte der besonderen Art verwandelt: Zum 25. Mal fand dort das Internationale Schülerseminar der Unesco-Projektschulen statt. Sechs Tage lang diskutierten sie über das Thema Menschenrechte. „Hier treffen ganz unterschiedliche Biographien und kulturelle Hintergründe aufeinander“, erklärte Regine Noack, die das Treffen betreute. Überrascht sei sie gewesen, wie schnell und wie gut die Jugendlichen zueinander gefunden hätten. In der Stadt gibt es vier Unesco-Schulprojekte: die Lichtenrader Carl-Zeiss-, die Mariendorfer Hermann-Köhl-, die Köpenicker Salvador-Allende- und die Lichtenberger Lessing- Schule. Eigentlich ganz „normale“ Schulen, aber mit dem kleinen Unterschied, daß sie für Verständnis zwischen den Nationen werben und vielfältige Kontakte zu Schulen in zahlreichen Ländern knüpfen. „Wir hoffen“, so die Betreuerin Noack, „damit Vorurteile und Klischees abzubauen“.

Die 16jährige Mirella aus Sarajevo hat durch das SchülerInnentreffen nicht nur viele neue Freunde gewonnen. „Ich habe viel gelernt und bin froh, hier zu sein“, sagte sie mit leiser Stimme. Mirella erlebte den Krieg im ehemaligen Jugoslawien hautnah mit. Über Menschenrechte werde in ihrer Heimat nicht gesprochen, erzählte die junge Bosnierin. Deshalb möchte sie versuchen, mehr für das Thema „Mensch und Recht“ zu werben.

„Ich möchte mit meinen Landsleuten darüber reden.“ Auch in ihrer Schule in Sarajevo solle das Bewußtsein für die Menschenrechte im eigenen Land geschärft werden. Während des Seminars hat Mirella einen Brief an die Regierung in Bosnien geschrieben. „Wenn Sie ihrem Land helfen wollen“, schrieb sie, „sollten Sie sich mehr um ihr Volk kümmern.“ Viele Mensche hätten ihr Zuhause verloren und seien jetzt obdachlos. Daß Mirella per Brief Menschenrechtsverletzungen anspricht, ist für Regine Noack ein Erfolg des Seminars. Jeder Schüler sei ein „Multiplikator“ im eigenen Land. Wenn jeder den Mut entwickle, dieses heikle Thema anzusprechen, werde sich auch etwas ändern, hofft die Betreuerin. Dietmar Neuerer

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