Spitzenbeamte in der goldenen Hängematte

■ Die Verwaltungsreform in NRW macht's möglich: Der Stadtdirektor von Hagen wird mit 120.000 Mark im nächsten Jahr in den aktiven Ruhestand geschickt

Hagen (taz) – Wenn der Hagener Oberstadtdirektor Dietrich Freudenberger (SPD) sich als Präsident des NRW-Städtetages in den letzten Monaten zu Wort meldete, dann fehlte die bittere Klage über die Finanzmisere der Kommunen nie. Auch vor Ort ließ Freudenberger im Verein mit Hagens SPD-Oberbürgermeister Dietmar Thieser keine Gelegenheit aus, das Volk zu ermahnen, doch bitte den Gürtel enger zu schnallen.

Um den Fianzkollaps abzuwenden, verordneten die beiden der Stadt eine radikale Abmagerungskur: 700 Stellen sollen weg. Doch für die zwei Obersozis selbst gelten andere Regeln: Im nächsten Jahr kassiert der Stadtdirektor rund 120.000 Mark fürs Nichstun. Damit versüßt die Kommune den Wechsel des Spitzenbeamten zur Dortmunder Harpen AG, wo Freudenberger ab dem 1. Januar 1997 die Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft übernimmt. Ein noch lukrativerer Job als in Hagen. Auch dort mußte der Chef von 3.500 städtischen Mitarbeitern mit einem Grundgehalt von 12.366 Mark (Besoldungsgruppe B 8) nicht gerade Hunger leiden. Auf seinem Stuhl im Hagener Rathaus nimmt dann Thieser als hauptamtlicher Bürgermeister Platz, mit 13.191 Mark (B 9) noch eine Stufe besser entlohnt als sein Vorgänger.

Daß die Kommune ihrem Oberstadtdirektor noch 120.000 Mark als Übergangsgeld hinterher wirft, ist Ergebnis eines diffizilen Dreiecksgeschäftes, das nur dazu diente, dem ehrenamtlichen OB Thieser, der sich in der SPD-Bundestagsfraktion langweilt, möglichst schnell zum hauptamtlichen Stadtoberhaupt zu befördern. Der Job, auf den Freudenberger nun wechselt, wurde freigeräumt, indem man den bisherigen Inhaber zum Vorstandsvorsitzenden des Hagener Energieversorgers Elektromark berief. Das fiel leicht, weil Thieser kraft Amtes selbst als Vorsitzender des Elektromark-Aufsichtsrates, in dem die Genossen das Sagen haben, fungiert. Die reguläre Amtszeit des 54jährigen Freudenberger würde am 31. Dezember 1997 enden. Für seinen vorzeitigen Wechsel erntet er doppelt: Neben dem weit höheren Gehalt in Dortmund kassiert er ganz legal 120.000 Mark „Übergangsgeld“ und ab dem 1. 1. 1998 fließt jeden Monat zusätzlich seine Pension in Höhe von etwa 65 Prozent seines letzten Gehalts in Hagen. Die Grundlage für diese „Übergangsregelung“ bietet ein vom Düsseldorfer Landtag im Rahmen der Neuordnung der Kommunalverfassung beschlossenes Gesetz. Immer häufiger scheiden kommunale Spitzenbeamte über diesen Weg aus.

Ein vergoldeter Abschied, der das ausgefeilte System der Überversorgung von Spitzenbeamten noch um eine weitere Facette ergänzt. Ein System beispielloser Selbstbedienung, für dessen drastische Beschneidung nicht nur der Bund der Steuerzahler schon seit Jahren vergeblich streitet. Wie viele rüstige Spitzenbeamte in Deutschland auf Staatskosten spazieren gehen oder sich zusätzlich zu ihren Pension in der Privatwirtschaft verdingen, weiß genau niemand. Doch es dürften Tausende sein, die von der „skandalösen Überversorgung“, so der Steuerzahlerbund, profitieren.

Die soziale Hängematte für Spitzenbeamte funktioniert blendend – von Flensburg bis München. Großzügig gestattete sich zum Beispiel das finanziell marode Hannover in diesem Sommer gleich reihenweise die vorzeitige Verabschiedung von rüstigen Dezernenten, die den Stadtsäckel zusätzlich mit mehreren Millionen belasten. Seit Ende 1994 kassiert der frühere Vorsitzende des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR), Jürgen Gramke, von seinem Verband fürs Nichtstun 9.500 Mark pro Monat. Ergebnis des Wechsels vom KVR auf den Stuhl des Wirtschaftsministers in Sachsen-Anhalt, den Gramke schon nach wenigen Wochen wieder räumen mußte. Mehrkosten: 500.000 Mark!

Dreist fiel die Selbstbedienung in Bonn aus. Von 1982 bis Ende 1995 schickte die Kohl-Regierung allein 23 beamtete Staatssekretäre in die Wüste. 16.282.000 Mark kostete diese Operation bisher den Steuerzahlern. Künftige Mehrkosten: 2 Millionen pro Jahr! Manche der Spitzenverdiener, die als politische Beamte jederzeit entlassen werden können, waren nur ein paar Monate im Amt. Sie bekommen drei Jahre lang ihr volles Gehalt von rund 14.000 Mark weiter. Danach fünf Jahre lang 75 Prozent und anschließend bis zur Pensionsgrenze 35 Prozent des Aktivengehalts. Walter Jakobs