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Uhrwerk in    Unruhe

■ Die französichen Clowns               „Les Nouveaux Nez“ mit „Cinq Folies en Cirque               Mineur“ auf Kampnagel

Viele Gründe sprechen dafür, Clownsnummern im Zirkus blöde zu finden. Es gibt fast nichts Kleinbürgerlicheres als das schadenfrohe Lachen über den den Dingen und Mitmenschen unterlegenen Clown. Das ist deswegen so grauenhaft, weil es auch die eigene Unterlegenheit festschreibt und der Gewalt der Verhältnisse eine Wahrheit gibt, die sie nicht verdienen. Mißtrauen den französischen Clowns Les Nouveaux Nez gegenüber scheint also angebracht. Ist es aber nicht.

Zwar ist ihre Performance Cinq Folies en Cirque Mineur schon sechs Jahre alt, es bleibt aber immer noch erkennbar, warum sie internationale Auszeichnungen kassierte. Musik, Tanz, Akrobatik, Jonglage: Les Nouveaux Nez können alles. Sie können es sich sogar erlauben, Standardmätzchen wie das Von-Leitern-Stürzen einzubauen, denn solche Sperenzchen sind nur Dreingabe und niemals das effekthascherische Ende einer darauf hinarbeitenden Sequenz. Schon die einzelnen Nummern sind von größter Größe. Mit herzerfrischender Nonchalance findet eine Milchkanne als Steeldrum einer improvisierten Latinoband ihre Verwendung. Mit Selbstverständlichkeit wird mit Akkordeon und Akustikgitarre ein Folk-Hip- Hop-Stück inszeniert. Das ist alles schön und gut. Schöner und besser aber sind noch die Überleitungen zwischen den Nummern. Denn auch wenn Roseline Guinet, Nicolas Bernard, Roger Bories und Alain Reynaud mit der Präzision eines Uhrwerks kooperieren, so hat ihr Regisseur André Riot-Sarcey doch eigenwillige Unruhen eingebaut. Les Nouveaux Nez beginnen nicht einfach zu spielen. Das Problem der vertauschten Instrumente löst ein kompliziertes Ballett aus, in dem die immer gleichen Gesten schallplattenkratzerhaft wiederholt werden. In Sekundenschnelle haben Les Nouveaux Nez sich in ein Labyrinth der Redundanz manövriert. Nur ein Gewaltakt vermag zu befreien. Und tatsächlich beherrscht die Gruppe die hohe Kunst der Beiläufigkeit. Während die drei anderen in ihren Selbstzitaten verharren und unter großem Getöse die Zeit stillstellen, bastelt Bories im Hintergrund an der Rettung. Kaum fertiggestellt, läßt er den übermannshohen Turm aus Instrumentenkästen sorgfältig kippen und zwingt so die restlichen drei dazu, sich aus ihrer Zirkelwelt zu lösen und einzugreifen. Das schon angekündigte Lied wird verschoben. Statt dessen findet die Gruppe sich zu einer dadaistischen Gymnastik zusammen. Wenn Les Nouveaux Nez die Auflösung inszenieren, um hinterher doch wieder, wie eine eingespielte Bebop-Combo nach ekstatischer Improvisation, zu einer gemeinsamen Handlungsfähigkeit zurückzufinden, sind das die schönsten Momente. Selbstverständlich hat das mit Spontanität nichts zu tun. Cinq Folies ist bis in Handgriffe hinein choreographiert. Das inszenierte utopische Moment dieser Show ist aber der immer nur illusionierten Utopie des Jazz bei weitem vorzuziehen.

Les Nouveaux Nez lassen sich auf keine angebliche Echtheit ein. Das Liebesgeständnis von Reynaud an Guinet verheddert sich in vertrackten, französischen Wortspielen. Dafür wird ein Schild hochgehalten: „Viele Wortspiele. Sehr lustig.“ Und zumindest der zweite Satz trifft auf diesen Abend ja auch uneingeschränkt zu.

Matthias Anton/Foto: Markus Scholz

Les Nouveaux Nez: Cinq Folies en Cirque Mineur. 3.-8., 11.-13. Dezember, 20 Uhr, Kampnagel (k6)

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