: Gegen willkürliche Einweisung
■ Zum zweitenmal versuchten Behinderte, mit CDU-Gesundheitssenatorin Hübner über ihre Pflegesituation zu diskutieren. Arbeitsgruppe wird gegründet
Der Weg zu Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) ist weit. Martin und Matthias und die anderen Rollstuhlfahrer warten geduldig im Erdgeschoß der Senatsverwaltung für Soziales auf den Fahrstuhl. Hoch hinaus müssen sie, in den neunten Stock, um mit Beate Hübner sprechen zu können. Der Fahrstuhl ist klein, nur ein Rolli paßt hinein. Aber behindertengerecht ist er.
Die Senatorin ist nicht da. Sie sei krank, sagt Staatssekretärin Verena Butalikakis. Schön ordentlich haben sich sechs Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Soziales am anderen Ende des Tisches aufgesetzt. Ihnen gegenüber 30 RollstuhlfahrerInnen und ihre AssistentInnen. Thema des „vertraulichen“ Gesprächs: Der neue Paragraph 3a des Bundessozialhilfegesetzes und dessen Auswirkungen auf die Betroffenen. Die Garantie auf ambulante Hilfe wird im novellierten Paragraph 3a zurückgenommen. Wenn also ein Heimplatz billiger ist als die Pflege zu Hause und es als zumutbar erscheint, soll nur noch der Heimplatz finanziert werden.
Seit Wochen kämpft das „Bündnis für ein selbstbestimmtes Leben Behinderter“ gegen dieses Gesetz. Vor zwei Wochen wurde die Senatsverwaltung besetzt. Es kam zu „skandalösen Aussperrungen“ der Behinderten, sagt Martin Eisermann vom Bündnis. Gestern nun war ein erneuter Gesprächstermin anberaumt. Wie vor zwölf Tagen war die Gesundheitssenatorin nicht da. Ihre Vertretung, Staatssekretärin Verena Butalikakis, machte erst einmal von ihrem Hausrecht Gebrauch und forderte die Presse zum Verlassen des Raumes auf. „Dieses Gespräch ist als ein vertrauliches vereinbart worden.“ Nach gut 50 Minuten pro und kontra Öffentlichkeit – die Behinderten wollten, daß PressevertreterInnen zugelassen werden – kam doch noch eine Debatte zustande. Die Hauptforderung der Behinderten: Die Senatsverwaltung solle Einfluß auf die Entscheidungspraxis der Bezirksämter nehmen. Diese würden zunehmend willkürlich über die Gewährung der ambulanten Hilfe entscheiden. Das erste Versprechen von Butalikakis war, ein Rundschreiben an die Bezirksämter zu verschicken und darauf hinzuweisen, daß die Bewilligung von ambulanter Pflege nicht von der Kostenfrage abhängig gemacht werden dürfe, und daß jeder Einzelfall zu prüfen sei. Die Heimeinweisung dürfe, so Butalikakis, nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Behinderten durchgesetzt werden. Ihr zweites Versprechen: eine Arbeitsgruppe mit allen SozialstadträtInnen zu gründen, um eine humanere Anwendung des Paragraphen 3a zu erreichen.
Heute ist übrigens Welttag der Behinderten. Jens Rübsam
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