: Spätere Heirat vorerst ausgeschlossen
Hoffnung für homosexuelle Paare in Spanien: Sie können sich als eheähnliche Lebensgemeinschaften registrieren lassen. Jetzt sollen die damit verbundenen Rechte erweitert werden ■ Aus Madrid Alexa Meyer
José Luis hätte gerne geheiratet. Doch da gab es ein Problem: José Luis ist schwul. Und in Spanien ist es, wie in den meisten anderen Ländern, nicht erlaubt, daß ein Mann einen anderen ehelicht. Seit Mai 1995 bleibt ihm zumindest ein Trost: Seither können sich homosexuelle Paare in Madrid in das Register für „parejas de hecho“ – eheähnliche Lebensgemeinschaften – eintragen lassen. Damit können sie bestimmte gesetzliche Regelungen für Ehepartner in Anspruch nehmen, auch wenn weiterhin große Rechtslücken klaffen. So ist es zwar zumindest den heterosexuellen parejas de hecho erlaubt, Kinder zu adoptieren. Aber Lebensgefährten können nach dem Tod des Partners oder der Partnerin nicht automatisch erben oder Witwenrenten beziehen.
Im neuen spanischen Mietrecht fallen jetzt erstmals die Schranken zwischen Ehepaaren und eheähnlichen Lebensgemeinschaften, egal welcher sexuellen Orientierung. Es besagt, daß im Falle des Todes der/die LebensgefährtIn an die Stelle der/des Verstorbenen im Mietvertrag treten darf, egal ob homo- oder heterosexuell. Doch noch hat sich das bis zu vielen Richtern nicht herumgesprochen.
Zwanzig Jahre hatte ein schwules Paar zusammengelebt, dann starb einer der beiden. Der andere wollte den Mietvertrag für die Wohnung übernehmen, die Besitzerin, eine Immobiliengesellschaft, weigerte sich. Erst in der zweiten Instanz wurde dem 64jährigen schließlich das Recht zugebilligt, in der Wohnung zu bleiben.
„Das sind Einzelfälle“, meint José Luis. Seiner Meinung nach werden die Homosexuellen in Spanien noch immer stark benachteiligt. Als besonders problematisch beschreiben Homosexuellenverbände die Zustände bei der spanischen Armee. Auch ein Fall, der die direkt der Armee unterstellte Polizeieinheit Guardia Civil betraf, machte Schlagzeilen. Juan Francisco Cruz sollte vor Gericht gegen seinen Freund, einen Ex-Offizier der Guardia Civil, aussagen. Er jedoch berief sich auf sein Aussageverweigerungsrecht, analog dem Recht der Ehepartner. Obwohl das Paar als pareja de hecho eingetragen war, wurde ihm dieses Recht verweigert. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen fühlen sich Homosexuelle nach wie vor benachteiligt. So dürfen sie kein Blut spenden. Und bis vor zwei Jahren wurden sie von vielen Werbeaktionen ausgeschlossen. Die staatliche Bahngesellschaft Renfe zum Beispiel hatte inseriert: „Fahren Sie billiger mit ihrer Partnerin“. Weder schwule noch lesbische Paare jedoch durften diesen Preisvorteil nutzen. Bis ein lesbisches Paar an die Öffentlichkeit ging. Seitdem gelten Bahn- und Hotelermäßigungen auch für homosexuelle Paare. Bei der Fluggesellschaft Iberia erkämpften sich zwei Schwule vor Gericht das Recht, den Partnertarif für Angestellte der Gesellschaft zu nutzen.
Nicht alle homosexuellen Paare haben die finanziellen Mittel, sich ihre Rechte vor Gericht zu erstreiten. Deshalb haben sich José Luis und die anderen 500 Mitglieder der staatlich geförderten Organisation Cogam (Colectivo de Gais y Lesbianas) dem Kampf für ihre Rechte verschrieben. Mittlerweile haben sie eine Reihe von Parlamentsabgeordneten auf ihrer Seite.
„Vielleicht muß ich demnächst keine eigene Einkommensteuererklärung mehr ausfüllen“, hofft José Luis. Denn nach mehreren Aufschüben sollen im Parlament jetzt Vorschläge über erweiterte Pareja-de-hechos-Rechte diskutiert werden. Sie betreffen eine gemeinsame Einkommensteuererklärung, Mietangelegenheiten, gemeinsam erwirtschaftete Güter, das Sorgerecht und Unterhaltszahlungen nach einer Trennung, Sozialleistungen und mehr. Diese Rechte sollen auch Homosexuellen zugestanden werden.
Dem radikalen Teil der Schwulen- und Lesbenbewegung geht das nicht weit genug, so zum Beispiel die Gruppe LSD, deren Kürzel mal für „Lesbianas sin Dudas“ (Lesben ohne Zweifel), mal für „Lesbianas Sobretodo Diferentes“ (Lesben, die vor allem anders sind) steht. Die Mitglieder bezeichnen sich selbst als feministische Lesben, die „die heterosexuelle, rassistische, patriarchalische, lesbophobische, kapitalistische Welt“ in eine Welt umwandeln wollen, in der sich „ein anderer, radikaler, sadomasochistischer, analischer, usw. Sex praktizieren läßt“. Maria Díaz von LSD erklärt, warum sie mit den Parejas-de-hecho-Rechten nicht viel anfangen kann: „Sie legitimieren nur alles Normale, während wir wollen, daß auch radikalere Lebensformen akzeptiert werden, wie etwa das Zusammenleben mehrerer Partnerinnen.“
Nicht alle lassen sich von noch fehlenden Rechten beeinflussen. Den 26jährigen José Elias González und Miguel Murillo war der Eintrag in das Register für parejas de hecho nicht genug. Sie verbanden ihn mit einer „weißen Hochzeit“ mitten in der Stadt Huelva. Der Bürgermeister Pedro Rodriguéz, der jetzt zwar, wie er sagt, von einigen älteren Frauen gemieden wird, äußerte sich zufrieden: „Alle anderen haben uns zu dieser ,Hochzeit‘ gratuliert, die Gesellschaft ist eben doch schon weiter als die Politik.“
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