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Die Luft wird dünn für Serbiens Diktator

■ Die USA drohen Serbiens Präsident Milošević mit Sanktionen, falls er Gewalt gegen Demonstranten anwendet. Belgrader Massenproteste gehen trotz Einschüchterungsversuchen weiter. Oppositioneller Radiosender verboten

Washington (AFP/taz) – Die USA haben Serbien mit Nachdruck vor dem Einsatz von Gewalt gegen die Oppositionsbewegung gewarnt. Andernfalls müsse die Führung in Belgrad mit neuen Wirtschaftssanktionen rechnen, sagte gestern ein Sprecher des US-Außenministeriums. Die serbischen Behörden verschärften derweil den Druck auf die Opposition und untersagten politische Studentenversammlungen. Desungeachtet schlossen sich die Belegschaften mehrerer Belgrader Fabriken den seit über zwei Wochen andauernden Massenprotesten an. Gestern gingen in Belgrad erneut rund 50.000 Menschen auf die Straße.

Die Regierung verbot den weiteren Betrieb des unabhängigen Senders B92. Als Grund wurde angegeben, daß der regimekritische Sender „nie“ eine Sendeerlaubnis bekommen habe. Das B92-Programm wurde seit Tagen weitgehend und ab Dienstag mittag vollkommen gestört. Der Sender berichtete seit 15 Tagen ausführlich von den Demonstrationen. Auch der Studentensender Index ist massiv gestört. Beide Redaktionen waren telefonisch nicht mehr zu erreichen.

Das Innenministerium hatte am Wochenende mit dem Einsatz der Polizei gedroht und verlangt, weitere Demonstrationen müßten angemeldet werden. Dazu sagte US-Außenamtssprecher Nicholas Burns, die USA behielten es sich im Falle von Gewalt gegen die Demonstranten vor, „alle erforderlichen Maßnahmen“ zu ergreifen. Diese Warnung bezog sich auf die Wirtschaftssanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, die nach dem Friedensschluß von Dayton vor einem Jahr aufgehoben worden waren.

Burns bekräftigte, Belgrad müsse die teilweise Annullierung der Kommunalwahlen vom 17.November rückgängig machen, bei der die Opposition in Belgrad und anderen Großstädten gewonnen hatte. Bundesaußenminister Klaus Kinkel bezeichnete die Lage in Jugoslawien als „außerordentlich besorgniserregend“. Er drohte mit einem Aussetzen der vor wenigen Tagen beschlossenen EU-Hilfe für Belgrad: „Die demokratischen Spielregeln müssen eingehalten werden“, sagte Kinkel in Lissabon.

Das serbische Bildungsministerium untersagte Studenten und Hochschullehrern, sich zu politischen Zwecken zu treffen und Demonstrationen zu organisieren. Das Ministerium beschuldigte „organisierte Gruppen“, die Studenten aufzuwiegeln. In einem weiteren Schritt gegen die Opposition wurde eine für gestern vorgesehene Sitzung des Parlaments abgesagt, die das oppositionelle Bündnis „Gemeinsam“ als Protestplattform benutzen wollte. Begründet wurde die Absage mit Desinfektionsarbeiten in dem Gebäude. Rund 20.000 Studenten zogen daraufhin vor das Parlamentsgebäude, das sie in Anspielung auf die angebliche Desinfizierung mit Kalk bewarfen. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. Die Polizei meldete die Festnahme von 32 Personen wegen „brutaler Angriffe auf Eigentum“. Studenten beschrieben das Parlament mit Parolen wie „Rote Banditen, Diebe. Wir sind die Sieger, und Milošević gehört nach Den Haag“.

Die Zeitung Naša Borba veröffentlichte gestern einen offenen Brief des Richters Zoran Ivošević, der wie fünf andere Mitglieder des Obersten Gerichts gegen die Annullierung der Kommunalwahlen protestierte. „Ich werde die Sklavenrolle des Gerichts, staatsergebener und unfähiger Richter nicht akzeptieren“, schrieb Ivošević. Am Montag abend hatten in Belgrad etwa 50.000 Menschen gegen den diktatorisch regierenden Präsidenten Milošević demonstriert. Tagesthema Seite 3

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