: Grüne Frauen gehen vor Gericht
■ Vorwürfe der sexuellen Belästigung durch grünen Politiker werden nun gerichtlich geklärt. Zwei Frauen legen Widerspruch gegen Unterlassungserklärung ein
Die Auseinandersetzung um den Vorwurf der sexuellen Belästigung bei den Bündnisgrünen wird nun vor Gericht ausgetragen. Eine 26jährige frühere Praktikantin der Partei und die 29jährige Frauenreferentin werden gegen eine Unterlassungserklärung Widerspruch einlegen, die Vorstandsmitglied Matthias Dittmer gegen sie erwirkt hat. Dies teilte gestern die Anwältin der beiden Frauen, Alexandra Goy, auf Anfrage mit.
Nun wird vor dem Landgericht geklärt, ob der Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen Dittmer zutrifft oder nicht. Rechtsanwältin Goy schätzte gestern die Aussichten, die Unterlassungserklärung abzuwehren, als gut ein. Die Unterlassungserklärung besagt, daß die beiden Frauen nicht mehr behaupten dürfen, Dittmer habe Frauen sexuell belästigt.
Auch der Parteivorstand mußte sich am gestrigen Abend erneut mit der Angelegenheit befassen. Dem achtköpfigen Gremium lag ein Antrag der ehemaligen Praktikantin auf Prozeßkostenhilfe für dieses Verfahren vor. Parteivorstand Michael Wartenberg mochte sich zu den Erfolgsaussichten des Antrags vor der Sitzung nicht äußern. Eine Bewilligung der Prozeßkostenhilfe könne als inhaltliche Unterstützung der Vorwürfe interpretiert werden, schilderte Wartenberg das Dilemma des Parteivorstandes. Wenn der Antrag abgelehnt werde, würde dem Gremium andererseits der Vorwurf gemacht, die Frau im Regen stehenzulassen.
Matthias Dittmer begründete sein Vorgehen damit, daß er dem „Rufmord an seiner Person“ nur mit einer Unterlassungserklärung begegnen könne. „Bisher mußte ich meine Unschuld beweisen. Jetzt muß mir nachgewiesen werden, daß es sexuelle Belästigung war.“ Die Praktikantin hatte den gegenüber Parteikolleginnen geäußerten Vorwurf, daß Dittmer sie im Verlauf einer gemeinsam verbrachten Nacht bedrängt habe, vor einer parteiinternen Schiedskommission nicht wiederholt. Dittmer weist jegliche Vorwürfe zurück.
Auch die politische Aufarbeitung der Vorfälle kommt in Gang. Bei einer Sitzung des Landesausschusses soll am 18. Dezember diskutiert werden, wie künftig mit Vorwürfen sexueller Belästigung verfahren werden soll. Nicht zuletzt war der Konflikt eskaliert, weil es dafür bei den Bündnisgrünen bislang keinen Verfahrensweg gibt. Die vier betroffenen Frauen hatten zu ihrem Schutz auf Anonymität bestanden. Dies war parteiintern stark kritisiert worden.
Die Bezirksgruppe Prenzlauer Berg, der auch Dittmer angehört, kritisiert, daß „unbewiesene Vorwürfe“ noch vor ihrer Klärung öffentlich gemacht wurden. Sie stellt aber auch fest: „Das Anliegen, Frauen vor sexuellen Belästigungen zu schützen, ist damit diskreditiert und sogar der Lächerlichkeit preisgegeben worden.“ Damit seien die Interessen der Frauen, die sich künftig gegen Übergriffe wehren, empfindlich beschädigt worden. Dorothee Winden
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