: Vom Wachstum profitieren nur wenige
■ Die deutsche Wirtschaft wuchs im dritten Quartal mit 2,4 Prozent überraschend schnell. Doch die Arbeitslosigkeit klettert ungerührt weiter, und die Einkommensverteilung wird noch ungerechter
Berlin/Wiesbaden (taz/dpa) – Die Regierung freut sich. Die Wirtschaft wächst überraschend schnell, teilte gestern das Statistische Bundesamt mit: im dritten Quartal 1996 um 2,4 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum; 2,2 Prozent im Westen und 4,1 Prozent im Osten. Wirtschaftsminister Rexrodt findet, wir könnten „mit Zuversicht ins nächste Jahr gehen“.
Die Opposition freut sich nur ein bißchen. „Was allein zählt, sind nicht höhere Wachstumsraten, sondern nur Arbeitsplätze, Arbeitsplätze und noch mehr Arbeitsplätze“, goß der Wirtschaftssprecher der SPD-Fraktion, Ernst Schwanhold, Wasser in den Wein. Die Zahl der Erwerbslosen nahm gnadenlos zu: um 9,1 Prozent oder 324.000 Menschen. Bei einer Zunahme der Produktivität um 3,4 Prozent sind eben immer weniger Arbeitskräfte nötig, um die 2,4 Prozent zusätzliches Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften.
Und die Umweltschützer freuen sich gar nicht. Für die Arbeitsgruppe Ökologische Wirtschaftspolitik forderte Eckhard Stratmann-Mertens gar einen Verzicht auf Wachstum, denn nur so sei eine umweltverträgliche Wirtschaftsentwicklung möglich. Wie negative Effekte auf Einkommen und Beschäftigung vermieden oder wenigstens verteilt werden können, müsse man noch untersuchen.
Solch eine gerechte Verteilung ist mit der gegenwärtigen Regierung höchst unwahrscheinlich, denn der seit den 80er Jahren anhaltende Trend geht weiter: Angestellte und Arbeiter verdienten brutto nur 0,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen kletterten um satte vier Prozent.
Die Zunahme der Produktivität und die äußerst moderate Lohn- und Gehaltsentwicklung bedeutet für die Wirtschaft jedoch höhere Wettbewerbsfähigkeit, wozu auch noch die niedrigere Bewertung der D-Mark beiträgt. Um 5,9 Prozent nahmen die Exporte zu (die Importe dagegen nur um zwei Prozent). Die Auslandsnachfrage trug damit über ein Drittel zum deutschen Wirtschaftswachstum bei. Im Inland ist die Nachfrage entsprechend gering. Der private Verbrauch stieg nur um 1,6 Prozent. Den zweitgrößten Beitrag zur Konjunktur leistete dank Pflegeversicherung und höherer Gesundheitsausgaben der Staat, dessen Nachfrage um 3,3 Prozent zunahm. Die deutsche Industrie bleibt schwach auf der Brust. Die Ausrüstungsinvestitionen nahmen zwar um 3,2 Prozent zu (nach einem Minus von 1,6 Prozent im zweiten Quartal). Doch die Industrieproduktion war in jüngster Vergangenheit noch mit minus 1,5 Prozent rückläufig. Im Oktober betrug der Rückgang gar 1,8 Prozent. lieb
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