: „Sonst ist bald alles dunkel hier“
■ Neue Ladenschlußzeit im Viertel läuft verhalten an / Immer mehr Läden machen früher dicht
Der Kunde im CD-Shop „EAR“ steht schon seit zehn Minuten am Ladentresen, hält seine Hände ruhig am Kopfhörer. Es ist kurz nach 19 Uhr, Freitag abend. Neben dem Kunden ordnet EAR-Ladenchef Bernd Link gemütlich neue CDs ins Regal: „Die Leute wollen Zeit haben, um Musik zu hören und mit uns darüber zu quatschen“, weiß er und macht deshalb seit dem 1. November erst um 20 Uhr zu. Doch nicht alle Viertel-Händler gönnen ihren KundInnen diese längere Bummel- und Einkaufszeit: Schon um halb sieben sind ganze Ladenzüge dunkel. Dabei wollten die Viertel-Händler eigentlich geschlossen mit einheitlichen Öffnungszeiten an den Start gehen.
Noch Mitte Oktober hatte sich das „1/4“ auf folgenden Kompromiß geeinigt: In allen Läden sollten am Donnerstag und Freitag BremerInnen bis 20 Uhr shoppen können, am Samstag bis 16 Uhr. Dafür sollten die Händler von Montag bis Mittwoch nur bis 18.30 Uhr im Laden stehen. „1000 Viertel-Stunden mehr“ sollte diese Vereinbarung allen KundInnen bringen – und vor allem „1000mal mehr Spaß“. Das, so versprachen Anfang November vollmundig in Ladentüren aufgehängte Plakate, „eröffnet die schöne Möglichkeit, sich abends in aller Ruhe umzusehen.“
EAR-Chef Bernd Link hat dieses Versprechen gehalten: Kauflustige BremerInnen dürfen bei ihm bis 20 Uhr in Ruhe stöbern. Zwar stehen bei ihm am Freitag abend nur drei Kunden im Laden. „Das macht aber nichts“, versichert der Chef. Mehr Umsatz hat er bisher nicht gemacht, doch Link setzt auf sein beratungsintensives Produkt, die CD: „Der neue Ladenschluß rentiert sich, wenn die Kunden die Vorteile erstmal zu schätzen lernen – wie in den USA.“ Softer Blues tönt bei Link aus den Boxen, der Verkäufer am Tresen groovt gelassen im Takt, schiebt seinem Kunden lächelnd eine neue CD zu.
Der Leder-Shop neben dem Café Piano dagegen hat sich längst vom „1/4“-Kompromiß verabschiedet. Kurz vor 19 Uhr ist es im Laden totenstill. Die Chefin am Tresen wird gleich Feierabend machen. Vor einer Woche hatte sie noch bis 20 Uhr offen, „da kam kein einziger Kunde. Das kann es ja nun nicht sein“, sagt sie und andere denken ähnlich: Gegenüber vom Leder-Shop ist eine ganze Ladenzeile dunkel. Fischer-Köhler, Betten-Geben, der Copy-Shop und die Schneiderei haben schon um 18.30 Uhr ihre Fenster-Gitter heruntergelassen.
Bei Klaus Baumann im Schuhladen „Eccolett“ brennt noch Licht – „obwohl der Freitag ziemlich tot ist“, sagt Baumann frustiert in seinem menschenleeren Laden. Und Norbert Caesar von der Viertel-Interessengemeinschaft gibt ihm recht: „Der Freitag ist in der Tat problematisch. Die Leute wollen ab 18 Uhr schon Freizeit haben und nicht einkaufen gehen.“ Der Donnerstag dagegen sei schon „erträglicher“, auch der Samstag „mausert sich“. Aber die Stimmung im Viertel sei nach sechs Wochen Probelauf „eher verhalten.“ Deshalb wollen sich die Viertel-Leute Ende Januar erneut an einen Tisch setzen: „Dann müssen wir sehen, wie wir weiter verfahren“, so Caesar.
„Wir müssen durchhalten“, appelliert Klaus Baumann vom Schuhladen „Eccolet“ jetzt an die Solidarität seiner Kollegen. „Ich mache weiter länger auf, obwohl es eigentlich nichts bringt“, sagt er. Die Kunden müßten sich schließlich an die neuen Öffnungszeiten gewöhnen, findet auch Bernd Link vom EAR-CD-Shop. Er hofft darauf, „daß die Kunden lernen. Aber dazu müssen die Öffnungszeiten schon einheitlich sein.“ Im Schuhladen „Eccolet“ im Steintor brennt jedenfalls jeden Donnerstag und Freitag abend weiter das Licht, „sonst können wir es alle gleich lassen, dann ist es wieder überall dunkel hier.“ kat
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