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Hummer in Mondlandschaft

■ Die Architekturstudenten der Kunsthochschule zeigen ihre diesjährigen Abschlußarbeiten

Eine Kreuzung am Broadway, eine Banane im Anschnitt, ein Stück Meer, ein käsegelber Mond, daneben ein geschlossenes Auge. Monitor an Monitor, erleuchtete Weltsplitter in beliebiger Anordnung. Außenwandmetamorphosen per digitaler Einspeisung. Eva Wagners Architektur-Abschlußarbeit „Neue Bilder – Neue Räume“, die zusammen mit 25 anderen nur noch heute in der Aula der Hochschule für bildende Künste (HfbK) ausgestellt ist, möchte eine Absage an alle Fassadenmoden aus Fensterglas und Stahl sein, erinnert aber selbst an eine Dekoration, wie man sie aus den kühlen Videoclips der 80er kennt.

In ihren Architekturminiaturen flaniert der Passant am Boden oder an Außenwandgalerien vorbei an flimmernden Bilderwelten. Das mit Monitoren tapezierte Gebäude braucht keine Fenster zur Welt, es hat standardisierte Abbilder fest im Bau installiert. Und schaut man in Wagners Querschnittmodell, einen bunt leuchtenden Bilder-Kubus, fühlt man sich ein bißchen wie bei Christian Boltanskis fotografischer Totenwache, ist doch jedes Detail Variable und Platzhalter für das, was fehlt.

Die vielleicht visionärste Arbeit ist „Entwicklungschancen für Central Harlem“ von Sofia Manti. Auf den ersten Blick erscheint ein kompliziertes „Mensch, ärgere dich nicht“ mit einem Spielfeld, das sich streng nach der Blockanordnung der übereinandergetürmten Wohneinheiten im New Yorker Viertel richtet. Das Konzept der Arbeit ist ebenso verblüffend wie hoffnungsvoll: der „integrierte“ Mensch und die hierzu notwendigen Sozialisationsphasen. Zuordnungen wie „evasion“ oder „integrativ“ oder die Kombination aus beidem und ihre Puppen-Anordnung im Wohnkomplex liest sich wie eine Rezeptur für eine günstigere ethnisch-gesellschaftliche Mischung.

Constantin Dumat geht es bei seinem Entwurf „Schwesternkonvent in Helfta“ um die Revitalisierung eines Zisterzienser-Klosters. Vom alten Hauptgebäude stehen nur noch die Grundmauern. Ein gläserner Kubus soll sie nun ausfüllen. Das Konzept folgt den gedachten Linien und Kreisen der alten Anlage, die er im axialen Spiel aufbricht, um aus dem alten, christlichen Symbolen verpflichteten Grundriß einen neuen mit alt-ikonischem Kern entstehen zu lassen. Das Hermetische des Klosters, die Weltentrückung in der kontemplativen Regel soll hierbei in Form aufgebrochener Kreissegmente wieder in neuen Bezug zur umgebenden säkularisierten Restlandschaft gestellt werden.

Ökologie und Tod sind die wiederkehrenden Themen der Ausstellung. Neben Sterbehospizen und alternativem Automobilmuseum gibt es noch Arbeiten, die im Rahmen laufender Wettbewerbe konzipiert wurden.

Nicht experimentell, aber nützlich, der Überdecklungsvorschlag der A 7 in Bahrenfeld von Susanne Kettler und Frank Stahmer. Autos unter der bewohnten Erde, darüber Grünanlagen, Wohnflächen, Fußgängerzonen. Ebenso nützlich wie spacig, Dirk Hünerbeins „Fischaufzucht am Trondheimfjord“ in Norwegen, das einer Mondlandschaft mit unbekannten Zivilisationsformen ähnelt. Bemalte Platinen, die hier die bereits angesiedelte Methanol-Industrie vorstellen, sind über leuchtende Kühlwasserschläuche mit dem angedachten Neubau vernabelt. Der soll den durch chemische Prozesse entstandenen Überschuß an Kühlwasser zur besonders effizienten Fischzucht nutzen. Und da Hummer wie Plattenfische eh Hunderte von Metern unter dem Meeresspiegel leben, ist der vielgeschossige Bau tief in das Granitmassiv des Küstenstreifens eingelassen. Die Hummerbecken können zu Fütterung und Ernte angehoben werden. Und weil es hier das halbe Jahr dunkel ist, reichen große Oberlichter, die mit ausbleibendem Lichteinfall zu elektrisch illuminierten Quadern werden. Quadratisch, praktisch, ökologisch, wenigstens für Küstenstreifenschützer und Fischverwertungsindustrie.

Birgit Glombitza

Noch heute, HfbK, Lerchenfeld 2

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