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Standortvorteil: Frauen

Der globale Handel bringt in Ländern wie den Philippinen und Vietnam die Produktionssysteme aus dem Lot, oft zu Lasten der Frauen  ■ Von Christa Wichterich

Handelsbeschränkungen hat die Welthandelsorganisation beseitigt, die Scheuklappen gegenüber Frauen nicht. Das bescheinigen Frauenorganisationen wie das europäische Netzwerk Wide (Women in Development Europe) und Wedo, ein in New York ansässiges, internationales Lobbybündnis von Frauen, der WTO.

Für wen, so fragen Wide und Wedo bei der seit gestern in Singapur stattfindenden WTO-Ministerratstagung, gilt das Credo der Welthandelsorganisation: mehr Handel, mehr Wachstum, mehr Wohlstand? Sicher für die transnationalen Konzerne, die 60 Prozent des Welthandels unter sich ausmachen. Aber was sickert davon zu den 1,3 Milliarden Armen durch – 70 Prozent davon Frauen?

Wide trug die Auswirkungen der zunehmenden Handelsglobalisierung auf die Frauen in Vietnam und auf den Philippinen zusammen. Was bedeutet es zum Beispiel für die acht Millionen philippinischen Kleinbäuerinnen, daß nun tonnenweise Getreide aus den USA und der EU importiert wird? Dieser Frage ging Wide nach. Die Ramos-Regierung stimmte in der Uruguay-Runde der WTO-Vorläuferin Gatt zu, daß mindestens ein Prozent der Nahrungsmittel (in Zukunft bis zu vier Prozent) importiert werden. Die US-amerikanische Botschaft und der Multi Cargill, einer der größten Agrarhändler, beschleunigten in Manila die Abschaffung von Zöllen. Ausgehebelt wurde dadurch die „Magna Carta für KleinbäuerInnen“, ein Gesetz, das den Import von Getreide und Reis nur bei Versorgungsengpässen erlaubte, um die einheimischen AnbieterInnen zu schützen.

Die Importe von hochsubventioniertem Getreide aus den USA bringt die einheimischen Produktions- und Verteilungssysteme völlig aus dem Lot. Die kleinen ReisproduzentInnen, denen der Staat im Rahmen der Strukturanpassung die Subventionen kürzte, sind nicht konkurrenzfähig. Kleinbäuerliche Familien verlieren ihr Stückchen Land und geben die Landwirtschaft auf.

Die Ramos-Regierung beschleunigt gleichzeitig die Exportproduktion und will in Zukunft nur noch auf 65 Prozent des Landes den Anbau von Nahrungsmitteln zur nationalen Selbstversorgung zulassen. Auf dem anderen Drittel der Ackerfläche sollen „hochwertige Exportgüter“ sprießen. Das Ziel nationaler Ernährungssicherung ist damit aufgegeben, die Ernährung wird immer abhängiger vom Weltmarkt. Von den Profiten, die mit den bisherigen Exportprodukten Zucker und Kokosnuß gemacht wurden, haben die PlantagenarbeiterInnen lediglich Hungerlöhne abbekommen. Dies wird bei zusätzlicher Exportproduktion wohl kaum anders sein.

Der wichtigste Wettbewerbsvorteil, den die süd- und ostasiatischen Länder in die globale Waagschale werfen können, sind billige, flinke Frauen. In Vietnam, wo Frauen vor der ökonomischen Öffnung Lohngleichheit mit Männern genossen, wollen Privatunternehmen nun die Zusatzkosten für verkürzte Arbeitszeiten vor und nach der Geburt, Mutterschaftsurlaub und Tage zur Betreuung kranker Kinder nicht mehr tragen. Um diese Regelungen zu umschiffen, lagern sie Produktionsschritte aus, informalisieren und flexibilisieren die Herstellung.

Vergibt zum Beispiel ein Textilkonzern aus Japan einen Auftrag an einen Unternehmer oder an ein Joint-venture, das er in Vietnam eingegangen ist, dann verteilt dieser den Auftrag an Subunternehmer in verschiedenen Provinzen oder an kleine lokale Agenten, die einen Teil als Heimarbeit weitervergeben. Am fernen Ende dieser Produktionskette sitzen überwiegend Frauen – 70 Prozent in der Textilbranche, 90 Prozent in der Elektronikindustrie. Sie arbeiten jetzt weniger in großen Fabriken, mehr in kleinen „sweat shops“ oder gar zu Hause. Je dezentraler jedoch gearbeitet wird, desto niedriger die Löhne, desto unkontrollierbarer die Arbeitsbedingungen und desto schwieriger gewerkschaftliche Organisierung.

Wide und Wedo fordern in Singapur, die Auswirkungen des globalen Handels auf Frauen nicht nur in Beschäftigungszahlen zu messen, sondern auch in Einkommenshöhe und Arbeitsplatzbedingungen. Wo der Staat nicht regulierend eingreift, wird der Wettbewerb knallhart auf dem Rücken der Frauen ausgetragen. Gerade die Regierungen der Billiganbieterländer in Asien wehren sich mit Zähnen und Klauen gegen soziale Mindeststandards. Denn die ungezügelte Ausbeutung weiblicher Arbeitskräfte ist ihr Standortvorteil.

In Singapur interessiert jedoch nur die Umsetzung der Handelsabkommen, nicht deren soziale und ökologische Verträglichkeit. Da interessieren Gesetzesregelungen, aber nicht Menschen- und Frauenrechte. Da interessieren Zölle und Ausfuhrquoten, nicht die Zahl der Armen.

Um dies zu ändern, erheben Frauenorganisationen in Singapur zwei konkrete Forderungen: Die Länderberichte über die Umsetzung der Handelspolitik sollen in Zukunft die unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen einschließen. Und nicht- staatliche Organisationen wie zum Beispiel Frauengruppen müssen Einflußmöglichkeiten auf die Entscheidungen der WTO bekommen, damit der globale Handel Menschen zu seinem Dreh- und Angelpunkt macht und nicht Profite.

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