: Europa rechnet beim Klima lieber hin und her
■ EU-Umweltminister streiten um Klimaziel, das sie kaum einhalten werden
Brüssel (taz) – Im Streit um die Reduzierung der Treibhausgase in der EU hat die irische Regierung gestern einen Kompromiß vorgeschlagen. Irland führt bis zum Jahresende die Präsidentschaft in der EU. Der Kompromiß sieht vor, daß der Kohlendioxid-Ausstoß in der EU bis zum Jahr 2005 um fünf bis zehn Prozent und bis 2010 um zehn bis zwanzig Prozent gesenkt werden soll – immer verglichen mit dem Basisjahr 1990.
Mit dieser schwammigen Position wird die EU vermutlich auch bei der heute in Genf beginnenden Sitzung der Berliner Mandatsgruppe für den weltweiten Klimaschutz auftreten. Bundesumweltministerin Angela Merkel forderte strengere Klimaschutzziele und verwies darauf, daß allein die Bundesrepublik bis 2005 die Treibhausgase um ein Viertel senken wolle. Wenn das Gemeinschaftsziel lediglich auf fünf Prozent festgelegt werde, könnten andere Länder das als Einladung sehen, ihren Ausstoß sogar steigen zu lassen.
Besonders heftig sind die Auseinandersetzungen über die Verteilung der Lasten. Frankreich möchte, daß die Einsparungen gleichmäßig auf alle Einwohner verteilt werden müßten. Dagegen wehren sich einerseits die nordischen Regierungen, weil in ihren Ländern bekanntlich mehr geheizt werden muß. Andererseits sind auch die südlichen Länder dagegen, weil sie wegen des wirtschaftlichen Rückstands im Vergleich zu Deutschland weniger CO2 in die Luft jagen. Sie wollen wirtschaftlich aufholen und sich dabei nicht durch Klimaziele bremsen lassen.
Mit der Realität haben die Zahlenspiele wenig zu tun. Nach Schätzungen des Deutschen Naturschutzringes (DNR) wird die EU das selbstgesteckte Ziel, bis zum Jahr 2000 die Treibhausgase auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren, um mindestens fünf Prozent verfehlen. Und das, obwohl allein in der Schwerindustrie der EU jährlich über 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden könnten, wenn nur alle Anlagen auf den technischen Stand von 1990 gebracht würden. Auch die von der Bundesrepublik erklärte Absicht, den CO2-Ausstoß um ein Viertel zu senken, ist wenig realistisch. Das Wirtschaftsministerium hat gerade erst ausrechnen lassen, daß dadurch 360.000 Arbeitsplätze vernichtet würden.
Solange die EU-Länder noch um Zahlen streiten, wird ohnehin nichts passieren. Sascha Müller- Kraenner vom DNR kritisierte die ganze bisherige EU-Klimadebatte deshalb gestern als „aufmunterndes Nichtstun“. Alois Berger
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