Gen-Essen bleibt in Europa inkognito

■ Greenpeace und BUND kritisieren Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union. Importeure aus den USA schaffen Tatsachen: Gen-Mais ist längst in Europa

Berlin (taz) – Die Europäische Union wird die Kennzeichung von gentechnisch veränderten Stoffen im Essen so lax regeln, daß die meisten Lebensmittel keinen Hinweis auf das veränderte Erbgut enthalten werden. Zu diesem Schluß kommen Greenpeace und der BUND, nachdem sie den Ende November vereinbarten EU- Kompromiß zur Novel-Food-Verordnung genauer unter die Lupe genommen hatten. Nach diesem Regelwerk soll unter anderem die Ungefährlichkeit von Gen-Essen geprüft werden, bevor es auf den Markt kommt.

Die Hauptkritikpunkte: Viele Lebensmittelzusätze und Enzyme sind von der Verordnung ausgenommen. Eine einfache Anmeldung bei der EU-Kommission genügt künftig, um ein gentechnisch verändertes Lebensmittel in der gesamten Union zuzulassen. Die Art der Kennzeichung bleibt offen, nur ein Bruchteil der am Erbgut veränderten Stoffe muß deklariert werden. Eine Haftung der Hersteller ist nicht vorgesehen.

Die Bundesregierung und die Abgeordneten des Europaparlaments sollen daher den Entwurf ablehnen, forderten die beiden Organisationen gestern in Hamburg. Damit ist aber nicht zu rechnen. Dem Kompromiß vom November ging immerhin eine wahre Lobbyschlacht in den Katakomben des Straßburger Parlaments voraus. Die Gen-Lobby konnte dabei viele für sie unbequeme Details der Verordnung kippen.

Während die Paragraphenkavallerie der EU noch wilde Attacken reitet, schaffen die USA bereits Tatsachen. Auf Anfrage von Greenpeace bestätigte das US- Landwirtschaftsministerium am Freitag abend, daß gentechnisch veränderter Mais längst in der EU angelandet wurde. Dieser Mais trägt unter anderem ein Resistenzgen gegen das Antibiotikum Ampicillin. Seine Einfuhr in die EU ist illegal, macht aber durchschnittlich 0,5 Prozent der US- Lieferungen aus.

Greenpeace wird deswegen Anzeige gegen die noch unbekannten Importeure stellen. Außerdem würden auch die zuständigen Länderbehörden angezeigt, so Benny Härlin von Greenpeace. Gestern war aber noch unklar, welches Amt zuständig ist – je nachdem, ob der Mais als Tier- oder Menschenfutter eingestuft wird. rem Bericht Seite 6