: Kein Wohngeld für „wildes“ Ehepaar
Wer nicht heiratet, wird von Hamburgs Ämtern auf abstruse Art diskriminiert ■ Von Volker Stahl
Birgit, Christof und Tochter Lisa sind eine ganz normale Familie. Nur Hamburgs Ämter sehen das anders, denn: Lisas Eltern sind nicht verheiratet. Weil ihnen das Bezirksamt Altona aus diesem Grund Wohngeld verweigerte, zog das „wilde Ehepaar“ jetzt vor das Hamburger Oberverwaltungsgericht.
„Hier gehts ums Grundsätzliche“, meint Familienvater Christof, „Das betrifft nicht nur uns, sondern Tausende anderer Paare.“ Ein Wohngeldantrag des 33jährigen vom Juli 1994 wurde zwei Monate später, im September, abgelehnt. Bei der Berechnung wurde lediglich das Einkommen des Postangestellten berücksichtigt, nicht jedoch das seiner Lebensgefährtin, die zu diesem Zeitpunkt erwerbslos war. Obwohl Christof damals mit einem Monatsgehalt von nur 1772,02 Mark Partnerin und Tochter mitversorgen mußte, zählten nach der Arithmetik des Wohngeldamtes nur zwei der drei Bewohner zur Familie: Vater und Kind. Die heute 29jährige Lebensgefährtin und Mutter fiel bei diesem Rechenspiel aus dem Raster, weil ihr Name nicht im Mietvertrag stand.
Im Oktober 1994 legte das Elternpaar gegen den Bescheid Widerspruch ein und fügte einen Vertrag bei, der Birgit als Untermieterin auswies. Wieder wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung hieß es nun: In diesem Fall könne nicht von einem Untermietverhältniß im üblichen Sinn ausgegangen werden, weil der Haushalt eine „Wirtschaftsgemeinschaft“ bilde. Nach der Logik der Altonaer Bezirksbehörde gehört Birgit also nicht zur Familie, bildet aber mit Partner und Tochter eine Wirtschaftsgemeinschaft.
Das Hamburger Verwaltungsgericht bestätigte diese Rechtsauffassung im Juni 1996 und wirft dem Elternpaar in seinem Urteil sogar die „Fingierung des Untermietverhältnisses“ vor, um sich Wohngeld zu erschleichen. Dafür spreche, „daß das Wohngeld gemeinsam auf das Konto der Klägerin überwiesen werden solle. Daß ein Hauptmieter das ihm zustehende Wohngeld auf das Konto seiner Untermieterin überweisen läßt, erscheint zumindest lebensunwahrscheinlich“.
Der Wohngeldstreit beschäftigt inzwischen nicht nur das Hamburger Oberverwaltungsgericht, vor dem das Verfahren zur Zeit anhängig ist, sondern auch den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages. Unterstützung bekommt das junge Hamburger Paar auch von seiten der SPD und den Grünen. „Das Beispiel zeigt einmal mehr, welchem verstaubten Familienbegriff unsere Leistungsgesetze anhängen“, sagt etwa Paul Schlüter, Referent der SPD-Fraktion im Bundestag. Die SPD kritisiere auf das Schärfste diese „durch nichts zu rechtfertigende Schlechterstellung von eheähnlichen Gemeinschaften gegenüber verheirateten Paaren“. Daher stellte die Oppositionspartei einen Antrag zu „Wohn- und Lebensgemeinschaften“, der eine Besserstellung bisher benachteiligter Haushalte inklusive unverheirateter Paare vorsieht.
Die Bündnisgrünen ließen eine entsprechende Forderung sogar in einen Gesetzentwurf einfließen, der zur Zeit noch beraten wird. Volker Beck, Bundestagsabgeordneter der Grünen, ist davon überzeugt, daß es nicht die Aufgabe des Staates sein könne, „seinen Bürgern im Familienrecht die Ehe aufzudrängen, indem er sie finanziell sanktioniert.“
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